02 - Tanz der Sehnsucht
Diese kleine Range mit dem frechen Pferdeschwanz sollte das mitreißende Erlebnis aus „Suzanna's Park" sein? Sie hatte eine lange, blonde Perücke getragen, einen Alice-im-Wunderland-Blick gehabt und Kostüme vom Ende des 19. Jahrhunderts, aber ... Ihre kraftvolle Stimme hatte den letzten Winkel des Theaters ausgefüllt, und sie hatte mit einer rasenden, geballten Energie getanzt, die ihn, der schwer zu beeindrucken war, fast ehrfürchtig ergriffen hatte.
Einer der Gründe, warum er diese Show
finanzieren wollte, war Madeline O'Hara gewesen.
Nun stand er ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüber und spürte Zweifel.
„Madeline O'Hara?"
„So steht es im Vertrag."
„Ich habe Sie auf der Bühne gesehen, Miss O'Hara. Ich hätte Sie nicht erkannt."
„Beleuchtung, Kostüme, Maske." Sie tat es mit einer Handbewegung ab. Außerhalb des
Rampenlichts zog Maddy Anonymität und ihr individuelles Aussehen vor. Sie war als eine von dreien zur Welt gekommen - Carrie hatte die überwältigende Schönheit, Alana die warme Herzlichkeit mitbekommen und sie eben das verschmitzt Niedliche. Es gab sicher berechtigte Gründe dafür, aber über Roys zweifelnden Blick musste sie einfach amüsiert lächeln. „Und jetzt sind Sie enttäuscht."
„Das habe ich nicht gesagt."
„Natürlich nicht. Dazu sind Sie zu höflich. Aber keine Sorge, Mr. .Valentine Records', ich werde Sie nicht enttäuschen. Jeder O'Hara ist eine kluge Investition." Sie lachte über ihren eigenen familiären Spaß.
Die Straßenbeleuchtung hinter ihnen ging an, ein deutliches Zei
chen, dass endgültig die Nacht einbrach. „Ich vermute, Sie haben drinnen eine Verabredung."
„Vor zehn Minuten."
„Zeit ist nur wichtig, wenn man abhängig ist. Sie haben das Scheckbuch, Captain, also bestimmen Sie." Freundschaftlich schlug sie ihm auf den Arm.
„Wenn Sie wieder einmal hier in der Nähe sind, kommen Sie doch einfach zur Probe." Sie machte einige Schritte rückwärts und lächelte ihn schelmisch an. „Dann können Sie mich in voller Aktion bewundern. Ich bin gut, Mr. .Valentine Records', wirklich gut." Mit einer Pirouette drehte sie sich um und eilte in leichtem Laufschritt die Straße entlang.
Trotz seines Hangs zur Pünktlichkeit sah Roy ihr nach, bis sie um die Ecke verschwand.
Kopfschüttelnd ging er auf den Eingang zu, als er eine runde Haarbürste bemerkte. Die Versuchung, sie einfach liegen zu lassen, war groß. Doch die Neugier war größer. Als Roy sie aufhob, bemerkte er einen ganz leichten Shampoo-Geruch - etwas zitronig Frisches. Er widerstand dem Drang, an ihr zu riechen, und steckte sie in die Jackentasche. Ob eine Frau wie sie überhaupt eine Haarbürste vermisste? Doch sofort schob er den Gedanken zur Seite. Er würde sie ihr auf alle Fälle zurückgeben.
Eine weitere gute Tat würde nicht schaden. Er war also verpflichtet, Madeline O'Hara wiederzusehen.
2. KAPITEL
f l f ast eine Woche verging, bevor Roy Zeit fand, erneut bei der ^sff Probebühne vorbeizuschauen. Er konnte den Besuch sogar rein geschäftlich begründen. Eigentlich hatte er sich nicht um die Show selbst kümmern wollen. Gespräche mit dem Produzenten und Konferenzen mit den
Finanzberatern hätten gereicht, um ihn auf dem Laufenden zu halten. Roy verstand sich auf Bilanzen, Zahlenreihen und Geschäftsunterlagen besser als auf die Geräusche und Gerüche in dem heruntergekommenen Gebäude. Aber schließlich schadete es nie, die Zügel bei einer Investition fest in der Hand zu behalten - selbst wenn diese Investition eine kapriziöse Frau mit einem strahlenden Lächeln einschloss.
Er fühlte sich fehl am Platz auf der Probebühne mit seinem dreiteiligen Anzug, ebenso wie er sich auf einer entlegenen Südsee-Insel gefühlt hätte, wo die Eingeborenen Knochen als Ohrschmuck trugen.
Als er die Treppen hochstieg, redete er sich ein, dass eine ganz natürliche Neugier ihn zurückgeführt habe und die einfache Tatsache, seine finanziellen Interessen zu wahren. Valentine Records hatte eine hübsche Stange Geld in „Take It Off" gesteckt, und er war Valentine Records gegenüber verantwortlich.
Dennoch griff er in die Tasche und spielte mit der gefundenen Haarbürste.
In einem Raum voller Spiegel entdeckte er die Tänzer. Es waren nicht die glitzernden, mit Pailletten geschmückten Tänzer, für die man am Broadway zahlte, sondern hier war es eine
durcheinandergewürfelte, schwitzende Gruppe von Männern und Frauen in abgetragenen Trikots. Roy fühlte sich ungemütlich,
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