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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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gegen die Todesstrafe stimmen zu müssen. Möglicherweise fürchtete er ein Attentat: Unter den Patriziern wie in der Ritterschaft
gab es viele, die auch seine Verhaftung befürworteten. Caesar hingegen betrat den Tempel so seelenruhig wie immer. Mit seinen kantigen breiten Schultern drückte er sich an den Wachposten vorbei und ignorierte deren Drohungen und Beleidigungen. Er quetschte sich auf seinen Platz in der ersten Bankreihe, lehnte sich zurück und streckte seine langen Beine in den Gang. Ihm gegenüber saß Cato: Sein schmaler Schädel war wie üblich über Rechnungsbüchern der Staatskasse gebeugt. Es war sehr kalt. Damit die Zuschauermenge die Sitzung verfolgen konnte, standen die Türen am anderen Ende des Tempels weit offen, so dass eine kräftige Brise durch den Gang wehte. Isauricus’ Hände steckten in alten grauen Fäustlingen, überall war Husten und Niesen zu hören, und als Cicero sich schließlich erhob und die Versammlung zur Ordnung rief, bauschten sich die Atemwolken vor seinem Mund wie Dampfschwaden über einem Kochtopf.
    »Senatoren«, erklärte er, »ich kann mich nicht erinnern, dass wir uns jemals zuvor in einer Angelegenheit von solcher Tragweite versammelt haben. Wir haben darüber zu entscheiden, wie mit den Verbrechern zu verfahren ist, die eine Bedrohung für unsere Republik geworden sind. Jeder hier Anwesende soll Gelegenheit erhalten zu sprechen, falls er dies wünscht. Ich habe nicht die Absicht, meine Sicht der Dinge vorzutragen …« Er hob die Hand und unterband vereinzelte Einwände. »Niemand kann behaupten, ich hätte mich in dieser Sache meiner Führungsrolle entzogen. Doch von nun an möchte ich der Diener des Senats sein, und was immer ihr entscheidet, ihr könnt euch darauf verlassen, ich werde es in Kraft setzen. Ich habe nur eine einzige Bedingung: Ihr müsst eure Entscheidung noch heute fällen, vor Einbruch der Dunkelheit. Wir dürfen nicht zögern. Welche Form der Bestrafung ihr auch wählt, ihr müsst schnell entscheiden. Ich rufe jetzt Decimus Junius Silanus auf, uns seine Meinung darzulegen.«
    Das Vorrecht des designierten Ersten Konsuls, in Debatten als Erster das Wort ergreifen zu dürfen, war eine Ehre, da bin ich mir sicher, auf die Silanus gerade an diesem Tag mit Freuden verzichtet hätte. Bislang hatte ich über Silanus nicht viel zu berichten, zum Teil deshalb, weil ich mich kaum an ihn erinnere: In einer Ära der Riesen war er ein Zwerg – ehrbar, grau, tumb, mit einem Hang zu Kränklichkeit und enervierenden Schwermutsattacken. In tausend Jahren hätte er es nicht ohne die Energie und den Ehrgeiz Servilias ins höchste Amt geschafft, die so versessen darauf war, ihre drei Töchter zu Töchtern eines Konsuls zu machen, dass sie Caesars Geliebte wurde, um die Karriere ihres Mannes zu fördern. Unterbrochen von gelegentlichen nervösen Seitenblicken zu dem Mann, der ihm Hörner aufsetzte, sprach Silanus stockend über die widerstreitenden Ansprüche von Gerechtigkeit und Gnade, Sicherheit und Freiheit, seiner Freundschaft zu Lentulus Sura und seinem Hass auf Verräter. Worauf wollte er hinaus? Niemand hatte eine Ahnung. Schließlich musste Cicero ihn direkt fragen, für welche Strafe er nun plädiere. Silanus holte tief Luft und schloss die Augen. »Die Todesstrafe«, sagte er.
    Als das grauenhafte Wort ausgesprochen war, ging ein aufgewühltes Raunen durch den Senat. Murena wurde als Nächster aufgerufen. Ich begriff jetzt, warum Cicero ihn in einer Zeit der Krise als Konsul gegenüber Servius vorgezogen hatte. Als er mit gespreizten Beinen, die kleinen, dicken Hände in die Hüften gestemmt, vor uns stand, ging eine Aura der Kraft und Standfestigkeit von ihm aus. »Ich bin Soldat«, sagte er. »Rom befindet sich im Krieg. Draußen auf dem Land werden Frauen und Kinder geschändet, Tempel geplündert, Ernten vernichtet. Unser wachsamer Konsul hat nun ein Komplott enthüllt, das auch unsere Vaterstadt in solches Chaos stürzen wollte. Wenn ich herausfinden würde, dass Männer in meinem Heerlager Pläne schmiedeten, es
niederzubrennen und meine Offiziere zu ermorden, dann würde ich keinen Augenblick zögern, ihre Hinrichtung zu befehlen. Die Strafe für Verräter ist immer, muss immer – und kann nur – der Tod sein.«
    So arbeitete sich Cicero durch die erste Bankreihe und rief einen Exkonsul nach dem anderen auf. Catulus hielt eine Rede über die Schrecken von Massakern und Brandstiftung, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ, und

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