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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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von uns: »Ich frage mich, was die Menschen in tausend Jahren von uns denken werden. Vielleicht hat Caesar Recht – die Republik muss vollständig niedergerissen und dann wiederaufgebaut werden. Eins kann ich euch sagen, die Patrizier sind mir genauso zuwider wie der Pöbel – und sie haben nicht mal die Ausrede der Armut und Unwissenheit!« Und dann ein paar Augenblicke später: »Wir haben so viel –
Künste und Wissenschaften, Gesetze, Reichtümer, Sklaven, die Schönheit Italiens, die Herrschaft über die ganze Welt. Woher kommt nur dieser unausrottbare Drang unseres menschlichen Geistes, der uns immerzu antreibt, unser eigenes Nest zu beschmutzen?« Heimlich notierte ich mir diese beiden Äußerungen.
    Die Nacht verbrachte ich in einer winzigen Kammer neben Ciceros Zimmer. Ich schlief schlecht. Das Trampeln der Wachen, die im Garten ihre Runden drehten, und ihre flüsternden Stimmen vermischten sich mit meinen Träumen. Das Treffen mit Lucullus hatte mich wieder an Agathe erinnert, und ich hatte einen Alptraum, in dem ich mich bei ihm nach ihr erkundigte und er mir antwortete, dass er keine Ahnung habe, wen ich meinte, aber dass alle seine Sklaven in Misenum tot seien. Als ich bei Tagesanbruch aufwachte, fühlte ich mich erschöpft und von einem Grauen erfüllt, als hätte man mir einen Felsen auf die Brust gewälzt. Ich warf einen Blick in Ciceros Zimmer, aber sein Bett war leer. Ich fand ihn in der Bibliothek, wo er bei geschlossenen Läden regungslos neben einer kleinen Lampe saß. Er fragte mich, ob schon Tag sei. Er wollte nach Hause, um sich mit Terentia zu beraten.
    Kurz darauf verließen wir das Haus, wobei wir von einer neuen Abordnung Leibwächter unter dem Kommando von Clodius begleitet wurden. Seit Beginn der Krise hatte sich dieser verrufene Tagedieb mit seinen Männern dem Konsul wiederholt als Eskorte angedient. Diese Bekundungen der Ergebenheit sowie Ciceros entschlossene Verteidigung Murenas hatten die Bande zwischen den beiden gefestigt. Clodius beabsichtigte, im nächsten Jahr selbst für den Senat zu kandidieren, deshalb nehme ich an, es war die Gelegenheit, die Kunst der Politik von einem Meister zu lernen, die Clodius zu Cicero hinzog. Cicero selbst amüsierte sich über dessen jugendliche Taktlosigkeiten. Jedenfalls war ich froh,
so sehr ich ihm auch misstraute, dass er an jenem Morgen die Leibwache führte, wusste ich doch, dass seine Klatschgeschichten Cicero aufmuntern würden. Und er legte auch gleich los.
    »Hast du schon gehört, dass Murena wieder heiratet?«
    »Wirklich?«, sagte Cicero überrascht. »Und wen?«
    »Sempronia.«
    »Aber Sempronia ist doch schon verheiratet, oder?«
    »Sie lässt sich scheiden. Murena ist dann ihr dritter Mann.«
    »Drei Männer! So ein Flittchen.«
    Sie gingen weiter. »Sie hat eine fünfzehnjährige Tochter aus ihrer ersten Ehe«, sagte Clodius nachdenklich. »Hast du das gewusst?«
    »Nein, habe ich nicht.«
    »Ich überlege, ob ich sie nicht heiraten soll. Was meinst du dazu?«
    »Dann wäre Murena dein Stiefvater.«
    »Genau.«
    »Keine schlechte Idee. Er kann deiner Karriere ziemlich nützlich sein.«
    »Außerdem ist sie unermesslich reich. Sie ist die Erbin des Gracchus-Vermögens.«
    »Worauf wartest du dann noch?«, fragte Cicero, und Clodius lachte.
    Als wir Ciceros Haus erreichten, traten die Dienerinnen der Bona Dea, angeführt von den vestalischen Jungfrauen, eben hinaus in den kalten Morgen. Schaulustige erwarteten die Frauen, von denen einige, darunter auch Caesars Frau Pompeia, so unsicher auf den Beinen waren, dass sie von ihren Mädchen gestützt werden mussten. Andere schienen gänzlich ungerührt von dem zu sein, was sie in der vergangenen Nacht erlebt hatten – was immer das auch gewesen sein mochte. Zu denen gehörte Caesars Mutter Aurelia, die
mit versteinertem Gesicht und ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, an Cicero vorbeirauschte, woraus ich schloss, dass sie über die Senatssitzung vom Nachmittag schon informiert worden war. Tatsächlich stand eine erstaunlich große Zahl an Frauen auf die eine oder andere Art mit Caesar in Verbindung. Insgesamt zählte ich mindestens drei verflossene Geliebte – Mucia, die Frau von Pompeius Magnus, Servius’ Frau Postumia und Lollia, die mit Aulus Gabinius verheiratet war. Clodius begutachtete fasziniert die parfümierte Prozession. Und schließlich trat auch Caesars aktuelle und einflussreichste Geliebte über die Türschwelle hinaus auf die Straße, Servilia, die

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