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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Hochverrat handelt, wenn man sich für die Freilassung der Gefangenen einsetzt, und der Antrag dann von der Volksversammlung angenommen wird? Caesar will nur eins: zu seinem eigenen Nutzen die Krise am Köcheln halten.«
    »Wenigstens ist es dann das Problem Eures Nachfolgers«, sagte ich. »Ihr habt dann nichts mehr damit zu tun.«
    »Das würde dir als Schwäche ausgelegt«, warnte Quintus. »Und wie wird die Geschichte urteilen? Du musst jetzt das Wort ergreifen.«
    Cicero ließ die Schultern hängen. Das war genau die Zwangslage, vor der er sich gefürchtet hatte. Nie zuvor hatte ich erlebt, dass ihm seine Unentschlossenheit solche Qualen bereitete. »Du hast Recht«, sagte er. »Obwohl ich keine Ahnung habe, wie dabei etwas anderes als mein eigener Untergang herauskommen soll.«
    Also verkündete er nach Ende der Sitzungspause, dass er nun doch seine Sicht der Dinge darlegen wolle. »Ich sehe, dass ihr Gesicht und Augen auf mich richtet, und so werde ich als euer Konsul sagen, was ich zu sagen habe. Wir haben zwei Anträge vorliegen: den von Silanus – auch wenn er nicht mehr für ihn stimmen will –, der auf die Todesstrafe für die Verräter plädiert, und den von Caesar, der lebenslange Haft fordert, eine abschreckende Strafe für ein abscheuliches Verbrechen. Diese ist, wie Caesar sagt, weit schlimmer als der Tod, zerstört sie doch auch jegliche Hoffnung, den einzigen Trost, der Männern in einer derart misslichen Lage bleibt. Des Weiteren befürwortet er, um den anderen Torturen auch noch die Armut hinzuzufügen, die Beschlagnahme ihres gesamten Besitzes. Das Einzige, was er diesen gottlosen Männern lässt, ist das Leben – hätte er es ihnen genommen, so hätte er sie mit einer einzigen schmerzvollen Tat von vielen seelischen und körperlichen Leiden erlöst.
    Nun, Senatoren, was in meinem Interesse liegt, darüber bin ich mir vollkommen im Klaren. Solltet ihr dem Antrag Caesars zustimmen, habe ich, da er ein Parteigänger der Popularen ist, weniger Grund, Angriffe seitens des Volkes zu fürchten, weil ich getan habe, was er vorgeschlagen hat. Stimmt ihr hingegen dem anderen Vorschlag zu, muss ich
mich wohl auf mehr Ärger gefasst machen. Allerdings sollten wir den Interessen unserer Republik einen höheren Stellenwert beimessen als Überlegungen bezüglich der Gefahren, die meiner Person drohen. Wir müssen tun, was richtig ist. Beantwortet mir eine Frage: Würden dem Patron eines Hauses von einem Sklaven die Kinder getötet, die Frau ermordet und das Haus niedergebrannt und würde er dafür nicht die höchste Strafe verhängen, würde man ihn dann für einen freundlichen und mitfühlenden Mann halten oder für den unmenschlichsten und brutalsten aller Männer, weil er das Leiden der Seinen nicht gesühnt hat? In meinen Augen ist ein Mann, der seinen eigenen Kummer und sein eigenes Leiden nicht dadurch lindert, dass er dem Verantwortlichen den gleichen Schmerz zufügt, gefühllos und hat ein Herz aus Stein. Ich befürworte den Antrag von Silanus.«
    Caesar sprang auf, um Einspruch zu erheben. »Die Schwachstelle in den Ausführungen des Konsuls ist, dass die Angeklagten keine solchen Taten begangen haben. Sie werden verurteilt für ihre Absichten und nicht für etwas, was sie auch tatsächlich getan haben.«
    »Genau!«, schrie jemand von der anderen Seite der Kammer, worauf alle herumfuhren und Cato ansahen.
    Wenn zu diesem Zeitpunkt abgestimmt worden wäre, da bin ich mir fast sicher, hätte Caesars Antrag die Mehrheit bekommen, trotz der Meinung des Konsuls. Man hätte die Gefangenen in alle Ecken Italiens geschafft, wo man sie hätte verrotten lassen oder wieder begnadigt hätte, ganz nach den Launen der Politik, und Ciceros Zukunft wäre völlig anders verlaufen. Aber gerade als der Ausgang festzustehen schien, erhob sich von den Bänken fast am hinteren Ende des Tempels ein vertrautes Gespenst: hager und mit wirrem Haar, die Schultern trotz der Kälte nackt, den sehnigen Arm zum Zeichen seines Einspruchs in die Luft gereckt.
    »Marcus Porcius Cato«, sagte Cicero beklommen, denn
man konnte sich nie sicher sein, in welche Richtung Cato sich von seiner unbeugsamen Logik würde treiben lassen. »Du willst sprechen?«
    »Ja, ich will sprechen«, sagte Cato. »Ich will sprechen, weil jemand dieses Haus daran erinnern muss, worüber wir eigentlich reden. Der entscheidende Punkt ist exakt der, dass wir es hier nicht mit verübten , sondern mit geplanten Verbrechen zu tun haben. Und aus genau diesem

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