02 Titan
normalerweise nicht sonderlich gesellig war. Alle waren beunruhigt über die aktuelle Lage. Vatinius’ Gesetzesvorschlag, der Caesar für die Dauer von fünf Jahren zwei Provinzen und eine Armee bewilligen würde, war gerade auf dem Forum ausgehängt worden. Die Patrizier kochten vor Wut, die Popularen jubelten, die Zeichen standen auf Sturm. Hortensius nahm mich beiseite und sagte, wenn ich mir ein Bild davon machen wolle, wie schlimm die Lage wirklich sei, solle ich zur Grabstätte der Sergii gehen. Dort, an der Kreuzung gleich hinter der Porta Capena, war der Kopf von Catilina bestattet. Ich ging zu dem Grab und fand es überhäuft mit frischen Blumen.
Ich beschloss, Cicero nichts von diesem Blumenmeer zu erzählen: Er war schon angespannt genug. Am Tag des Treffens schloss er sich in die Bibliothek ein und ließ sich bis kurz vor der verabredeten Stunde nicht mehr blicken. Dann
nahm er ein Bad, kleidete sich um und stellte immer wieder die Stühle im Tablinum um. »Die Wahrheit ist, dass ich für so etwas zu sehr Anwalt bin«, gestand er mir. Ich murmelte etwas Zustimmendes, war aber insgeheim der Ansicht, dass es nicht die Frage der Rechtmäßigkeit war, die ihn umtrieb – es war wieder einmal seine übertriebene Empfindlichkeit.
Cato traf als Erster ein, wie immer trug er einen übelriechenden Fetzen von Toga und war barfuß. Er rümpfte missbilligend die Nase, als er den Luxus des Hauses sah, hatte aber, da er ein starker Trinker war, nichts gegen einen Becher Wein, sein einziges Laster, einzuwenden. Als Nächster kam Hortensius, der Cicero sein Mitgefühl wegen der Scherereien um Clodius bekundete – offenbar ging er davon aus, dass dies der Grund für das Treffen war. Lucullus und Isauricus, die beiden alten Generäle, kamen gemeinsam. »Da haben wir ja eine veritable Verschwörung beisammen«, sagte Isauricus und schaute die anderen an. »Kommt noch jemand?«
»Metellus Celer«, antwortete Cicero.
»Gut«, sagte Isauricus. »Sehr gut. Ich schätze, er ist unsere größte Hoffnung in den Zeiten, die uns bevorstehen. Der Bursche weiß wenigstens, wie man kämpft.«
Die fünf setzten sich im Kreis zusammen. Sonst war nur noch ich im Raum. Ich ging mit dem Weinkrug herum und zog mich dann in eine Ecke zurück. Cicero hatte mich angewiesen, keine Notizen zu machen, sondern gut aufzupassen und hinterher aus dem Gedächtnis ein Protokoll anzufertigen. Ich hatte im Lauf der Jahre an so vielen Treffen mit diesen Männern teilgenommen, dass sie mich gar nicht mehr wahrnahmen.
»Dürfen wir erfahren, worum es geht?«, fragte Cato.
»Das ist wohl nicht schwer zu erraten«, sagte Lucullus.
»Ich schlage vor, dass wir noch auf Celer warten«, sagte Cicero. »Er hat das meiste dazu zu sagen.«
Schweigend saß die Gruppe da, bis Cicero es nicht mehr
aushielt und mir auftrug, nach nebenan zu gehen und nachzuschauen, wo Celer bleibe.
Ich gebe nicht vor, über hellseherische Kräfte zu verfügen, aber als ich auf Celers Haus zuging, ahnte ich, dass etwas nicht stimmte. Es war zu ruhig, niemand kam oder ging. Und als ich das Haus dann betrat, empfing mich die Art von schrecklicher Stille, die immer mit Katastrophen einhergeht. Celers Verwalter, den ich leidlich kannte, empfing mich mit Tränen in den Augen und erzählte mir, dass sein Herr gestern von fürchterlichen Schmerzen befallen worden sei. Die Ärzte seien zwar unterschiedlicher Meinung über die Art der Erkrankung, aber sie stimmten alle darin überein, dass sie lebensbedrohlich sei. Mir wurde selbst übel, als ich das hörte. Ich bat ihn, Celer zu fragen, ob er irgendeine Nachricht für Cicero habe, der zu Hause auf ihn warten würde. Der Verwalter ging und kehrte kurz darauf mit einem einzigen Wort als Antwort zurück. Offenbar war Celer zu mehr als einem ächzenden »Kommen!« nicht mehr in der Lage.
Ich rannte zurück und stürmte ins Tablinum, worauf die Senatoren sich alle umdrehten – natürlich in der Erwartung, Celer zu sehen. Sie brummten unwirsch, als ich Cicero mit Gesten bedeutete, dass ich ihn allein sprechen müsse.
»Was soll das Theater?«, fragte er ärgerlich, nachdem er mir ins Atrium gefolgt war. Seine Nerven waren offenkundig zum Zerreißen gespannt. »Was ist mit Celer?«
»Schwer krank«, sagte ich. »Er stirbt vielleicht. Ihr sollt sofort kommen.«
Cicero war zu bedauern. Die Nachricht traf ihn wie ein Fausthieb. Er schien buchstäblich zurückzutaumeln. Ohne ein weiteres Wort gingen wir nach nebenan, wo Celers Verwalter
Weitere Kostenlose Bücher