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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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uns in Empfang nahm und in die privaten Gemächer führte. Die düsteren Gänge werde ich nie vergessen, das trübe Kerzenlicht und den ekligen Weihrauchgeruch, der den Gestank nach Erbrochenem und körperlichem Verfall allerdings
nicht überdecken konnte. Es waren so viele Ärzte zu Hilfe gerufen worden, dass sie den Zugang zu Celers Schlafzimmer verstopften. Sie unterhielten sich leise auf Griechisch, und wir mussten uns erst durch den Pulk hindurchdrängeln, um in das Zimmer zu gelangen, in dem eine drückende Hitze herrschte und es so dunkel war, dass Cicero eine Lampe nahm und damit zum Bett des Senators ging. Celer war nackt bis auf die bandagierten Stellen seines Körpers, wo man ihn zur Ader gelassen hatte. Dutzende von Blutegeln hingen an seinen Armen und an den Innenseiten der Beine. Er hatte Schaum vor seinem schwarzen Mund: Später erfuhr ich, dass man ihm Holzkohle zu essen gegeben hatte, was zu irgendeiner abstrusen Heilmethode gehörte. Man hatte ihn am Bett festbinden müssen, weil er immer wieder von Krämpfen geschüttelt wurde.
    Cicero kniete sich neben das Bett. »Celer, mein teurer Freund«, sagte er mit sanfter Stimme, »wer hat dir das angetan?«
    Als Celer seine Stimme hörte, wandte er ihm das Gesicht zu und versuchte etwas zu sagen, doch alles, was er zustande brachte, war ein unverständliches, schwarz schäumendes Lallen. Danach kapitulierte er. Er schloss die Augen, und nach allem, was man weiß, öffnete er sie nie wieder.
    Cicero blieb noch eine Weile und stellte den Ärzten verschiedene Fragen. Wie bei Medizinern üblich, hatte jeder auf jede Frage eine andere Antwort. In einem Punkt allerdings waren sie sich einig: Keiner von ihnen hatte je einen gesunden Körper so schnell an einer Krankheit sterben sehen.
    »Einer Krankheit?«, sagte Cicero ungläubig. »Der Mann ist vergiftet worden!«
    Vergiftet? Allein vor dem Wort schreckten die Ärzte zurück. Nein, nein – das war eine verheerende Krankheit, ein ansteckendes Leiden, vielleicht das Ergebnis eines Schlangenbisses,
alles Mögliche, aber sicher kein Gift. Sie lehnten es ab, diese beängstigende Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen. Außerdem, wer sollte den noblen Celer schon vergiften wollen?
    Cicero beließ es dabei. Er hat niemals daran gezweifelt, dass Celer ermordet wurde, obwohl er nie herausfinden konnte, ob Caesar dabei seine Hand im Spiel hatte oder Clodius oder beide. Bis zum heutigen Tag ist dieses Rätsel ungelöst. Allerdings gab es nach Ciceros Meinung keinerlei Zweifel daran, wer ihm die tödliche Dosis verabreicht hatte. Als wir das Totenhaus verließen, begegnete uns an der Tür die gerade heimkehrende Clodia, und zwar in Begleitung des jungen Caelius Rufus, des frischen Siegers über Hybrida. Obwohl die beiden sofort eine ernste Miene aufsetzten, war nicht zu übersehen, dass sie eben noch gelacht hatten. Und obwohl sie sofort einen Schritt auseinandertraten, war auch nicht zu übersehen, dass sie ein Liebespaar waren.

KAPITEL XVIII
    Z um Zeichen der nationalen Trauer wurde Celers Leichnam auf dem Forum auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Das Gesicht des Toten sah friedlich aus, sein kohlenschwarzer Mund war so rein und rosa wie eine Rosenknospe. Caesar und der gesamte Senat nahmen an der Zeremonie teil. Die trauernde Witwe Clodia sah wunderschön aus und vergoss so manche Träne. Danach wurde seine Asche im Familienmausoleum beigesetzt. Cicero versank in tiefe Schwermut, er ahnte, dass mit Celer auch jede Hoffnung gestorben war, Caesar noch aufhalten zu können.
    Angesichts Ciceros Niedergeschlagenheit bestand Terentia auf einem Ortswechsel. Er hatte an der Küste von Antium, etwa eineinhalb Tagesreisen von Rom entfernt, ein neues Anwesen gekauft, und dorthin reiste die Familie zu Beginn der Sitzungspause im Frühling. Die Fahrt führte uns an Solonium vorbei, wo die Familie der Claudier seit langem einen prachtvollen Landsitz besaß. Es hieß, dass sich Clodius und Clodia mit ihren zwei Brüdern und zwei Schwestern hinter die hohen ockerfarbenen Mauern zurückgezogen hatten, um Familienrat zu halten. »Alle sechs auf einem Haufen«, sagte Cicero, als wir in unserer Kutsche daran vorbeifuhren. »Wie ein Wurf Welpen – ein Wurf Höllenhunde! Stell sie dir vor, Tiro, wie sie sich alle zusammen im Bett wälzen und Pläne für meinen Untergang schmieden.«
Ich widersprach ihm nicht, obwohl ich mir Appius und Gaius, die beiden halsstarrigen älteren Brüder, bei derart lasterhaften Verirrungen nur schwer

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