02 Titan
Dann wandte er sich wieder Cicero zu. »Muss ich dir wirklich erst erklären, dass das alles Caesars Idee war? Ich habe versucht, es ihm auszureden.«
»Ach ja? Und warum hast du es nicht geschafft?«
»Er war der Meinung, der ich zugegebenermaßen zustimme, dass der Ton deiner Bemerkungen heute vor Gericht in gröbster Weise beleidigend für uns war und einen öffentlichen Dämpfer verdiente, welcher Art auch immer.«
»Damit hast du Clodius den Weg freigemacht, um Volkstribun zu werden – wohl wissend um seine erklärte Absicht,
Anklage gegen mich zu erheben, sollte er jemals in dieses Amt gelangen.«
»Ich wäre ja nicht so weit gegangen, aber Caesar hatte sich darauf versteift. Kann ich dich nicht doch zu einem kleinen Schluck Wein überreden?«
»Über viele Jahre habe ich dich in allem unterstützt, was du wolltest«, sagte Cicero mit erschreckender Gelassenheit. »Als Gegenleistung habe ich nichts weiter verlangt als deine Freundschaft, die mir teurer gewesen ist als alles in meinem öffentlichen Leben. Und jetzt hast du aller Welt vor Augen geführt, was du wirklich von mir hältst – indem du meinem schärfsten Feind die Waffe in die Hand gibst, die er zu meiner Vernichtung braucht.«
Pompeius’ Lippen bebten, und seine Austernaugen füllten sich mit Tränen. »Cicero, ich bin erschüttert. Wie kannst du nur so etwas sagen? Ich würde nie tatenlos zuschauen, wie man dich vernichtet. Meine Lage ist wirklich nicht einfach – besänftigend auf Caesar einzuwirken ist ein Opfer, das ich zum Wohl unserer Republik an jedem Tag meines Lebens bringe.«
»Heute anscheinend nicht.«
»Durch das, was du heute gesagt hast, sah er seine Würde und Autorität bedroht.«
»Die wird er erst recht bedroht sehen, wenn ich all das enthülle, was ich über dieses ›dreiköpfige Ungeheuer‹ und seine Abmachungen mit Catilina weiß!«
»Du solltest deinen Ton gegenüber Pompeius Magnus etwas zügeln«, warf Gabinius ein.
»Nein, nein, Aulus«, sagte Pompeius traurig, »Cicero hat ja Recht. Caesar ist zu weit gegangen. Die Götter wissen, dass ich hinter den Kulissen alles getan habe, was in meiner Macht stand, um ihn zu mäßigen. Als man Cato eingesperrt hat, habe ich dafür gesorgt, dass er sofort wieder freigelassen wurde. Und den armen Bibulus hätte ein weit schlimmeres
Schicksal ereilt als nur der Bottich voll Kot, wenn ich nicht gewesen wäre. Aber in diesem Fall hatte ich keinen Erfolg. Eines Tages musste das ja passieren. Ich fürchte, Caesar ist einfach … erbarmungslos .« Er seufzte, nahm einen der Miniaturtempel aus seinem Theatermodell in die Hand und betrachtete ihn nachdenklich. »Vielleicht kommt einmal die Zeit«, sagte er, »dass ich mit ihm brechen muss.« Er warf Cicero einen verschlagenen Blick zu – seine Tränen waren schnell wieder getrocknet, fiel mir auf. »Was hältst du davon?«
»Lieber früher als später.«
»Da könntest du Recht haben.« Pompeius ergriff den Tempel mit seinem fetten Daumen und dem Zeigefinger und stellte ihn überraschend geschickt an seinen alten Platz. »Weißt du, was er als Nächstes vorhat?«
»Nein.«
»Er würde sich gern ein militärisches Kommando zuteilen lassen.«
»Das glaube ich sofort. Aber der Senat hat schon verfügt, dass es in diesem Jahr für die Konsuln keine Provinzen gibt.«
»Das ist richtig, ja. Aber Caesar schert sich nicht um den Senat. Er wird Vatinius damit beauftragen, ein entsprechendes Gesetz in die Volksversammlung einzubringen.«
»Was?«
»Ein Gesetz, das ihm nicht nur eine, sondern zwei Provinzen gewährt, Gallia Cisalpina und Bithynia, einschließlich der Vollmacht zur Aushebung einer Armee mit zwei Legionen. Und nicht nur für ein Jahr, sondern für fünf Jahre.«
»Bei allen Göttern!« Cicero stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. »Die Entscheidung über die Vergabe von Provinzen hat immer beim Senat gelegen, nicht beim Volk. Und fünf Jahre! Ihm muss klar sein, dass das unsere Verfassung in Schutt und Asche legt.«
»Er verneint das. Als Präzedenzfall führt er das Gesetz an,
das Aulus damals in meinem Auftrag durchgebracht hat, als mir das Sonderkommando zur Bekämpfung der Piraten übertragen wurde.«
»Ein Sonderkommando stellt per definitionem einen Sonderfall dar. Aber dem Senat das traditionelle Recht zu nehmen, Provinzen zuzuteilen, dieses Recht der Volksversammlung zuzuweisen und ihr obendrein noch die Festlegung der Bedingungen zu gestatten – das ist der Anfang vom Ende unseres
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