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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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dass er in Rom bleiben solle, um die neuesten Gerüchte aufzuschnappen, das sei Cicero von größerem Nutzen, als wenn er hier die an den Strand platschenden Wellen zählte. Terentia saß in einer Ecke des Zimmers über ihrer Stickarbeit, alles war friedlich, und so debattierte ich mit Terentia darüber, ob wir ihn überhaupt wecken sollten. Aber Cicero bemerkte die Unruhe, die der eintreffende Bote verursacht hatte, und streckte gebieterisch die Hand aus. »Gib her!«, sagte er. Ich reichte ihm den Brief und ging auf die Terrasse. Auf dem Meer sah ich ein Boot, auf dem ein winziges Licht brannte. Weil ich eine unverbesserliche Landratte war, fragte ich mich, was das wohl für eine Fischart war, die man bei Dunkelheit fangen musste, oder ob da Fallen für Langusten oder irgendein anderes Seegetier ins Wasser gelassen wurden, als ich plötzlich von drinnen ein lautes Stöhnen hörte.
    Ich ging wieder ins Haus. Terentia schaute ihren Mann bestürzt an. »Was ist passiert?«, fragte sie.
    Die Faust mit dem zerknüllten Brief lag auf seiner Brust. »Pompeius hat wieder geheiratet«, sagte er mit hohler Stimme. »Caesars Tochter!«
    Gegen den Lauf der Geschichte konnte er viele Waffen in Stellung bringen: Überzeugungskraft, Schläue, Ironie, Witz, Redegewalt, Erfahrung, sein profundes Wissen um das Recht und die Menschen. Aber gegen die Alchemie zweier nackter Körper in der Dunkelheit im Bett, gegen all die komplexen Sehnsüchte, Bindungen und Versprechungen, die aus solcher Intimität erwachsen können, hatte er kein Mittel. So seltsam es klingen mag, aber die Möglichkeit einer Heirat dieser beiden hatte er nie in Betracht gezogen. Pompeius war knapp siebenundvierzig, Julia vierzehn. Nur Caesar, tobte Cicero, konnte ein eigenes Kind auf eine derart zynische, widerwärtige und verdorbene Weise prostituieren. Nachdem er eine Stunde lang gewütet hatte – »Stellt euch das vor: Er und sie, zusammen!«  –, beruhigte er sich wieder und verfasste ein Glückwunschschreiben für Braut und Bräutigam, und als wir wieder in Rom waren, machte er ihnen umgehend mit einem Geschenk seine Aufwartung. Ich trug die Sandelholzschatulle für ihn ins Haus, und nachdem er seine vorbereitete Ansprache über den himmlischen Glanz ihrer Verbindung beendet hatte, reichte ich sie ihm.
    »Nun, wer von euch beiden ist in diesem Haushalt für die Entgegennahme der Geschenke verantwortlich?«, fragte er lächelnd, machte dann einen halben Schritt auf Pompeius zu, der natürlich schon die Hand ausstreckte, wandte sich aber dann abrupt zur Seite und überreichte die Schatulle mit einer Verbeugung Julia. Sie lachte, und einen Augenblick später lachte auch Pompeius, drohte Cicero jedoch mit dem Finger und nannte ihn einen ungezogenen Burschen. Ich muss sagen, Julia hatte sich zu einer äußerst gewinnenden jungen Frau entwickelt – sie war hübsch, anmutig und eindeutig liebenswürdig. Sonderbar war allerdings, dass Gesichtszüge und Gebärden bis ins Detail denen ihres Vaters glichen. Es schien, als wäre alle Fröhlichkeit aus ihm herausgesaugt und in sie hineingeblasen worden. Und die zweite
Überraschung: Sie war unübersehbar in Pompeius verliebt. Sie öffnete die Schatulle und nahm das Geschenk heraus – eine exquisite silberne Platte, wenn ich mich recht erinnere, in die ihre ineinander verschlungenen Initialen eingraviert waren. Als sie Pompeius die Platte zeigte, berührte sie seine Hand und streichelte seine Wange. Er strahlte und küsste sie auf die Stirn. Cicero betrachtete das glückliche Paar mit dem gefrorenen Lächeln eines Gastes, der beim Essen gerade etwas sehr Unangenehmes heruntergeschluckt hat, dies aber vor seinen Gastgebern verbergen will.
    »Du musst uns bald wieder besuchen«, sagte Julia. »Ich würde dich gern besser kennenlernen. Mein Vater sagt, du bist der intelligenteste Mann in ganz Rom.«
    »Das ist sehr freundlich von ihm, aber – leider, leider – diesen Ehrentitel muss ich ihm überlassen.«
    Pompeius bestand darauf, Cicero persönlich zur Tür zu geleiten. »Ist sie nicht reizend?«
    »Sehr.«
    »Ganz ehrlich, Cicero, ich bin mit ihr glücklicher, als ich es je mit einer anderen Frau war. Sie schafft es, dass ich mich zwanzig Jahre jünger fühle. Vielleicht sogar dreißig.«
    »Noch mal herzlichen Glückwunsch. Bei dem Tempo brauchst du bald wieder Kinderschuhe«, witzelte Cicero. Wir waren inzwischen im Atrium, aus dem, wie mir auffiel, der Umhang von Alexander dem Großen und Pompeius’

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