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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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sagte er und schüttelte mir die Hand. »Du hast dir die Freiheit verdient.«
    Ich war so überrascht, dass ich fast ohnmächtig geworden wäre. Seit Jahren hatte ich auf diesen Augenblick gewartet,
ich hatte ihn herbeigesehnt, hatte davon geträumt und mir immer ausgemalt, was ich dann tun würde. Und jetzt, in diesen Tagen des Zusammenbruchs und der Katastrophe, fast beiläufig, war der Augenblick gekommen. Die Gefühle überwältigten mich derart, dass ich kein Wort herausbrachte. Ich fing an zu weinen. Cicero schloss mich lächelnd in die Arme und klopfte mir auf den Rücken wie einem Kind, das Trost brauchte. Dann ergriff Atticus, der neben uns stand, meine Hand und schüttelte sie herzlich.
    Ich brachte ein paar Worte des Dankes zustande und sagte dann, dass meine erste Handlung als freier Mann die sei, mich wieder in seinen Dienst zu stellen, dass ich an seiner Seite bleiben würde, dass ich, was immer auch geschehen möge, sein Martyrium mit ihm teilen würde.
    »Das ist leider unmöglich«, sagte Cicero traurig. »Von nun an können nur Sklaven meine Begleiter sein. Ein Freigelassener, der mir helfen würde, würde sich nach Clodius’ Gesetz der Straftat schuldig machen, einem Mörder zu helfen. Du musst dich ab sofort von mir fernhalten, Tiro, oder sie kreuzigen dich. Geh und hole deine Habseligkeiten. Es ist besser, du verlässt das Haus zusammen mit Terentia und Atticus.«
    Meine tiefe Freude wurde von einem ebenso starken Gefühl der Trauer verdrängt. »Aber wie wollt Ihr ohne mich zurechtkommen?«
    »Ach, ich habe noch andere Sklaven«, sagte er – ein schwacher Versuch, unbekümmert zu klingen. »Sie werden mich begleiten, wenn ich die Stadt verlasse.«
    »Wohin geht Ihr?«
    »Nach Süden. Zur Küste. Vielleicht nach Brundisium, auf ein Schiff. Und danach … danach liegt mein Schicksal in der Hand der Götter. Also, hol jetzt deine Sachen.«
    Ich ging nach unten in mein Zimmer und packte meine wenigen Besitztümer in einen Beutel. Dann zog ich die beiden
losen Ziegelsteine aus der Mauer, hinter denen ich meine Ersparnisse versteckt hatte. Ich besaß genau zweihundertsiebenundzwanzig Goldstücke, die in einen Geldgürtel eingenäht waren. Ich hatte über zehn Jahre gebraucht, um sie zusammenzusparen. Ich legte den Gürtel um und ging wieder nach oben ins Atrium, wo sich Cicero gerade von Marcus verabschiedete. Terentia, die die beiden mit verweinten Augen betrachtete, und Atticus standen daneben. Cicero liebte den Jungen – seinen einzigen Sohn, seine Freude, seine Hoffnung für die Zukunft – und schaffte es dennoch mit ungeheurer Selbstdisziplin, die Trennung auf so unbekümmerte Art hinter sich zu bringen, dass sie den Kleinen nicht zu sehr aufregte. Er hob ihn hoch und schwenkte ihn im Kreis herum, und als Marcus bettelte, noch mal, noch mal, wirbelte er ihn noch einmal herum, und als Marcus um eine dritte Runde bettelte, verneinte er und sagte, er solle wieder zu seiner Mutter gehen. Dann umarmte er Terentia und sagte: »Es tut mir leid, dass die Ehe mit mir dich in eine so traurige Lage gebracht hat.«
    »Die Ehe mit dir war der einzige Zweck meines Lebens«, erwiderte sie, dann wandte sie sich ab, nickte mir zu und verließ mit festen Schritten den Raum.
    Cicero umarmte Atticus und bat ihn, sich um seine Frau und seinen Sohn zu kümmern. Als er sich auch von mir verabschieden wollte, sagte ich, dass es dazu keinen Anlass gebe, da ich mich entschieden hätte, bei ihm zu bleiben, auch wenn es mich die Freiheit und wenn nötig das Leben kostete. Natürlich drückte er mir seinen Dank aus, allerdings schien er über meinen Entschluss nicht sonderlich überrascht zu sein. Ich erkannte, dass er nie auch nur einen Augenblick ernsthaft daran gedacht hatte, dass ich sein Angebot, ihn zu verlassen, annehmen könnte. Ich nahm meinen Geldgürtel ab und überreichte ihn Atticus.
    »Könntet Ihr wohl etwas für mich tun?«, fragte ich ihn.
    »Natürlich«, antwortete er. »Soll ich das für dich aufbewahren?«
    »Nein«, sagte ich. »Lucullus hat eine Sklavin, eine junge Frau namens Agathe, die mir sehr viel bedeutet. Könntet Ihr Lucullus bitten, sie freizulassen, als einen Gefallen für Euch. Ich bin mir sicher, das Geld in dem Gürtel ist mehr als ausreichend, um ihr die Freiheit zu kaufen und sie auch für die Zeit danach gut zu versorgen.«
    Atticus schaute überrascht, versprach mir aber sofort, dass er das natürlich machen werde.
    »Also, das Geheimnis hast du wirklich gut gehütet«, sagte

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