02 Titan
Roms zu betreten, um einen Triumph für sich selbst einzufordern, hätte aber automatisch ihr imperium beendet. Man konnte ihre Enttäuschung verstehen.
»Imperator«, sagte Cicero und hob die Hand zum Gruß, erst für den einen, dann für den anderen. »Imperator.«
»Wir haben einiges mit dir zu besprechen«, sagte Metellus in bedrohlichem Ton.
»Ich weiß genau, was du mir sagen wirst. Und ich kann
dir versichern, dass ich mein Versprechen halten und mich im Senat mit meiner ganzen Kraft für dich verwenden werde. Aber das muss noch warten. Du siehst ja, wie sehr ich im Augenblick unter Druck stehe. Ich brauche etwas Unterstützung, nicht um meiner, sondern des Staates willen. Celer, willst du mir helfen, die Republik zu retten?«
Celer wechselte einen Blick mit seinem Neffen. »Ich weiß nicht. Das kommt darauf an, was ich tun soll.«
»Es ist nicht ungefährlich«, sagte Cicero, wohl wissend, dass ein Mann wie Celer gerade deshalb der Herausforderung nicht würde widerstehen können.
»Einen Feigling hat mich noch niemand genannt. Was ist es?«
»Ich möchte, dass du dir eine Abordnung der vorzüglichen Legionäre deines Neffen nimmst, den Fluss überquerst und die Flagge auf dem Janiculum einholst.«
Sogar Celer wich schwankend zurück, als er das hörte. Das Einholen der Flagge bedeutete das Anrücken einer feindlichen Armee und würde automatisch die Volksversammlung unterbrechen. Außerdem wurde der Janiculum immer schwer bewacht. Celer und sein Neffe wandten sich an Lucullus, den Ältesten des Trios. Ich betrachtete den eleganten Patrizier, während er die Chancen abwog. »Das ist ein ziemlich verzweifelter Vorschlag, Konsul«, sagte er.
»Wohl wahr. Aber wenn wir diese Abstimmung verlieren, dann ist das eine Katastrophe für Rom. Kein Konsul wird sich jemals wieder sicher sein, ob er über die Vollmachten verfügt, einen bewaffneten Aufstand niederzuschlagen. Ich weiß nicht, warum Caesar einen solchen Präzedenzfall schaffen will, aber ich weiß, dass wir es uns nicht leisten können, ihn damit durchkommen zu lassen.«
Schließlich war es Metellus, der sagte: »Er hat Recht, Lucius. Geben wir ihm die Männer. Quintus«, sagte er dann zu Celer, »bist du bereit?«
»Natürlich.«
»Gut«, sagte Cicero. »Dir als Prätor werden die Wachen gehorchen. Für den Fall, dass sie doch Ärger machen, gebe ich euch meinen Sekretär mit.« Zu meinem Entsetzen zog er seinen Ring vom Finger und drückte ihn mir in die Hand. »Der Konsul erklärt, Rom wird von einem Feind bedroht, die Fahne muss eingeholt werden«, sagte er zu mir. »Das meldest du dem Kommandanten. Mein Ring dient dir als Beweis, dass du mein Gesandter bist. Glaubst du, du schaffst das?«
Ich nickte. Was hätte ich sonst tun sollen? Metellus hatte inzwischen den Centurio zu sich gewinkt, der zuvor den prügelnden Catilina gezähmt hatte, und schon kurze Zeit später hechelte ich dreißig Legionären in Zweierreihen und mit gezückten Schwertern hinterher, an deren Spitze Celer und der Centurio marschierten. Unsere Mission war, und da gibt es nichts zu beschönigen, eine gesetzmäßige Versammlung des römischen Volkes aufzulösen, und ich weiß noch, dass ich dachte: Vergiss Rabirius, das ist wirklich Hochverrat. Wir verließen das Marsfeld, überquerten den angeschwollenen braunen Tiber über die Sublicius-Brücke und marschierten dann über die flache Ebene des Vaticanums, die mit den schäbigen Zelten und kleinen provisorischen Hütten der Obdachlosen übersät war. Am Fuß des Janiculums saßen die Krähen der Juno auf den nackten Zweigen ihres heiligen Hains und schauten auf uns herunter – als wir an ihnen vorbeigingen, flogen die scheuen schwarzen Gestalten krächzend davon, es waren so viele, dass man hätte meinen können, der ganze Wald mache sich auf die Flucht. Wir plagten uns die Straße bis zum Gipfel hinauf, noch nie war mir ein Hügel so steil erschienen. Sogar jetzt, da ich diese Sätze niederschreibe, kann ich wieder den hämmernden Herzschlag und die brennende Lunge spüren, während ich keuchend nach
Luft schnappte. Es war, als stieße man mir eine Speerspitze in die Seite.
Auf dem Kamm des Hügels, auf seinem höchsten Punkt, stand ein Schrein zu Ehren von Janus, der mit einem Gesicht nach Rom, mit dem anderen zum offenen Land schaute. Über den Schrein ragte eine Stange in die Höhe, an deren Spitze, knarzend im scharfen Wind, eine riesige rote Flagge flatterte. Etwa zwanzig Legionäre drängten sich um zwei große
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