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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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zu sprechen. Es bedurfte all meiner Überredungskünste, dass er mir wenigstens eine kurze Schilderung des Treffens in Catilinas Haus gab.
    Catilinas Handlanger seien alle da gewesen, berichtete er. Mit ihm elf Senatoren sowie ein halbes Dutzend Mitglieder des Ritterstandes, von denen er Marcus Fulvius Nobilior, Lucius Statilius, Publius Gabinius Capito und Gaius Cornelius erwähnte. Außerdem der ehemalige Centurio Gaius Manlius und viele Unzufriedene aus Rom und ganz Italien. Das Ambiente war dramatisch: Da Catilina bankrott und sein Anwesen mit Hypotheken belastet war, war das Haus völlig leergeräumt, bis auf einen Silberadler, der früher die persönliche Standarte des Konsuls Marius gewesen war, als dieser gegen die Patrizier gekämpft hatte. Curius gab mir Catilinas Rede (die ich mitschrieb, während er sie mir erzählte) folgendermaßen wieder:
    »Freunde, seit Rom sich seiner Könige entledigt hat, wird es von einer mächtigen Oligarchie beherrscht, die alles unter ihrer Kontrolle hat – alle Ämter im Staat, das Land, das Militär, das an Steuern einkassierte Geld, unsere Provinzen im Ausland. Wir und alle anderen, so sehr wir uns auch anstrengen mögen, bleiben Niemande. Selbst diejenigen unter uns, die von adeliger Abstammung sind, müssen vor Männern katzbuckeln, die sich in einem korrekt geführten Staat
vor uns fürchten würden. Ihr wisst, wen ich meine. Einfluss, Macht, Ämter, Reichtum – alles ist in ihren Händen. Und was bleibt uns? Bedrohung, Niederlage, Verfolgung, Armut – das lassen sie uns!
    Wie lange, tapfere Kameraden, werden wir das noch erdulden? Ist es nicht besser, mit einem heldenhaften Tod dem Ganzen ein Ende zu bereiten, als der Spielball der Überheblichkeit anderer Männer zu sein und ein Leben in Elend und Schande zu fristen? Aber das muss so nicht sein. Wir haben die Kraft der Jugend und Feuer in unseren Herzen, während unsere Feinde geschwächt sind durch Alter und Verweichlichung. Sie haben sich zwei, drei, ja vier Häuser nebeneinander gebaut, und wir haben nicht ein einziges, das wir unser Heim nennen können. Sie haben Bilder, Statuen, Fischteiche, wir haben Schulden und leiden bittere Not. Elend, das ist alles, was wir zu erwarten haben.
    Wacht auf! Vor euren Augen schimmert die Aussicht auf Freiheit – auf Ehre und Ruhm, auf den Lohn des Sieges! Ich werde kämpfen, wo immer ihr mich hinstellt, sei es als Befehlshaber oder einfacher Soldat, und denkt an die reiche Beute, die jeder Krieg verspricht! Das ist es, was ich als Konsul für euch tun werde. Weigert euch, Sklaven zu sein! Seid Herren! Und lasst uns der Welt zeigen, dass wir Männer sind!«
    Das waren die Grundzüge von Catilinas Rede. Danach zog er sich mit seinen engsten Vertrauten zu weiteren Gesprächen ins Innere des Hauses zurück, darunter auch Curius. Hier erinnerte er sie hinter fest verschlossenen Türen an ihren feierlichen Bluteid, erklärte, dass nun die Stunde gekommen sei, und schlug vor, den Trubel der Wahlen zu nutzen und Cicero am nächsten Tag auf dem Marsfeld zu töten. Curius behauptete, er sei nicht bis zum Ende der Besprechung geblieben, da er sich davongestohlen habe, um Cicero die Warnung zu überbringen. Er weigerte sich, die
Geschichte mit einer schriftlichen Erklärung zu beeiden, und machte unmissverständlich klar, dass er auch als Zeuge nicht zur Verfügung stehe. Sein Name sei unter allen Umständen aus der ganzen Geschichte herauszuhalten. »Sag dem Konsul, dass ich alles abstreiten werde, sollte er sich auf mich berufen.«
    Als ich zu Ciceros Haus zurückkehrte, war der Eingang verschlossen. Es wurden nur noch bekannte und vertrauenswürdige Besucher vorgelassen. Auf der Straße hatte sich eine Menschenmenge gebildet. Cicero hatte sich mit den inzwischen eingetroffenen Quintus und Atticus ins Arbeitszimmer zurückgezogen. Ich berichtete, was Curius gesagt hatte, und übergab ihm das Protokoll von Catilinas Rede. »Jetzt habe ich ihn!«, sagte er. »Diesmal ist er zu weit gegangen!« Dann schickte er nach den Führern des Senats. Im Lauf des Nachmittags und Abends kamen mindestens ein Dutzend Senatoren, darunter auch Hortensius und Catulus. Cicero zeigte allen, was Catilina angeblich gesagt hatte, und erzählte ihnen von der anonymen Morddrohung. Als er sich jedoch weigerte, seine Quelle preiszugeben (»Ich habe mein Wort gegeben«), bemerkte ich, dass mehrere Senatoren – besonders Catulus, der früher einmal ein enger Freund Catilinas gewesen war – misstrauisch

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