02 Titan
er bei einer Zusammenkunft in seinem Haus eine höchst aufrührerische Rede gehalten. Cicero
antwortete, dass er nichts davon wisse, und schickte dann mich los, um etwas darüber herauszufinden. Ich schlenderte im Senaculum herum und sprach dann zwei Senatoren an, mit denen ich gut bekannt war. Natürlich kochte die Gerüchteküche. Manche sagten, Catilina habe dazu aufgerufen, die reichsten Bürger Roms zu ermorden, andere, er habe zur Rebellion aufgestachelt.
Ich machte mir ein paar Notizen und wollte mich gerade wieder zu Cicero begeben, als Curius sich an mir vorbeidrückte und mir dabei eine Nachricht in die Hand schob. Im Gesicht war er kreidebleich vor Entsetzen. »Gib das dem Konsul«, flüsterte er, und bevor ich antworten konnte, war er schon wieder verschwunden. Ich schaute mich um. Gut hundert Senatoren standen plaudernd in kleinen Gruppen zusammen. Anscheinend hatte keiner etwas bemerkt. Ich eilte zu Cicero und gab ihm die Botschaft.
»Von Curius«, flüsterte ich ihm ins Ohr.
Er öffnete den Brief, las ihn, dann versteinerte sich sein Gesicht. Er gab mir den Brief. Du wirst morgen während der Wahlen ermordet . In diesem Augenblick erschienen die Auguren und verkündeten, dass die Vorzeichen günstig seien. »Seid ihr euch da wirklich sicher?«, fragte Cicero mit grimmiger Stimme. Feierlich beteuerten sie ihm, dass alles in Ordnung sei. Ich sah ihm an, dass er überlegte, was jetzt zu tun sei. Schließlich stand er auf, bedeutete den Liktoren, seinen Stuhl zu nehmen, und folgte ihnen in das kühle Halbdunkel des Sitzungssaals. Die Senatoren schlossen sich uns an. »Was hat Catilina heute Morgen wirklich gesagt?«
»Genaues weiß man nicht.«
Als wir durch den Mittelgang gingen, sagte er leise zu mir: »Ich fürchte, wir müssen die Warnung ernst nehmen. Genau besehen, ist die Wahl der einzige Zeitpunkt, von dem sie ganz genau wissen, wo ich sein werde – auf dem Marsfeld, um die Abstimmung zu leiten. Tausende von Menschen
werden sich dort aufhalten, also dürfte es für zehn oder zwanzig bewaffnete Männer nicht schwierig sein, sich zu mir durchzuschlagen und mich umzubringen.« Wir hatten jetzt das Podium erreicht, die Senatorenbänke füllten sich. Er schaute sich um und ließ den Blick über die weiß gewandeten Gestalten schweifen. »Ist Quintus da?«
»Nein, er macht Wahlkampf.« Tatsächlich waren sehr viele Senatoren nicht anwesend. Die Kandidaten für das Konsulat und die meisten Bewerber für ein Amt als Volkstribun oder Prätor – darunter auch Quintus und Caesar – hatten sich an diesem Nachmittag für Wahlversammlungen und gegen die Wahrnehmung ihrer Staatsgeschäfte entschieden. Nur Cato saß an seinem Platz und studierte seine Zahlenkolonnen der Staatskasse. Cicero verzog das Gesicht und zerknüllte Curius’ Nachricht. Mit zusammengeballter Faust stand er ziemlich lange da, bis ihm bewusst wurde, dass alle ihn anschauten. Er stieg die Stufen zu seinem Stuhl hinauf.
»Senatoren Roms«, verkündete er. »Ich habe gerade die zuverlässige Information erhalten, dass eine Verschwörung gegen die Republik im Gange ist, in deren Verlauf euer Erster Konsul ermordet werden soll.«Vereinzeltes Stöhnen war zu hören. »Um die Hinweise prüfen und über die Konsequenzen beraten zu können, beantrage ich, den Beginn der morgigen Wahlen so lange zu verschieben, bis eine angemessene Beurteilung der Lage möglich ist. Irgendwelche Einwände?« Aus dem folgenden aufgeregten Gemurmel ließ sich keine Stimme vernehmen, die widersprochen hätte. »In diesem Falle vertage ich die Sitzung des Senats auf morgen zu Sonnenaufgang.« Dann eilte er mit seinen Liktoren im Schlepptau den Gang hinunter.
Rom befand sich nun im Zustand großer Verwirrung. Cicero ging auf direktem Weg nach Hause und machte sich umgehend daran, herauszufinden, was Catilina genau gesagt hatte. Er schickte Schreiber und Boten in die ganze Stadt
aus, die mögliche Informanten kontaktieren sollten. Mich sandte er zu Curius’ Haus auf dem Aventin. Zuerst wollte mich der Türwächter nicht einlassen – sein Herr empfange heute keine Gäste, sagte er. Als ich ihm jedoch im Namen Ciceros eine Nachricht überbringen ließ, wurde ich hereingebeten. Curius war einem Nervenzusammenbruch nahe. Er war hin- und hergerissen zwischen seiner Angst vor Catilina und seiner Sorge, in den Mord an einem Konsul verwickelt zu werden. Mit der Begründung, das sei ihm zu riskant, lehnte er es rundheraus ab, mich zu begleiten und Cicero persönlich
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