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02 Titan

02 Titan

Titel: 02 Titan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Menschenmassen jubelten ihm zu. Mit dem glänzenden Brustpanzer und dem prachtvollen, mit scharlachroten Federn geschmückten Helm sah der Kandidat für das Amt des Konsuls aus wie das perfekte Abbild
eines Kriegshelden, auch wenn er schon seit Jahren nicht mehr im Feld gestanden hatte und in Gallia Transalpina ziemlich Fett angesetzt hatte. Lucullus und Murena stiegen die Stufen zum Kapitol hinauf, wo Caesar und das Priesterkollegium der Pontifices sie erwarteten. Lucullus ging natürlich voraus, aber sein Legat folgte nur ein paar Schritte hinter ihm, und erst da erfasste ich das Genialische an Ciceros Plan, der im Grunde nichts anderes zum Ziel gehabt hatte, als eine gigantische Wahlkampfveranstaltung für Murena zu inszenieren. Jeder Veteran erhielt als Kriegsbeute neunhundertfünfzig Drachmen, was in jenen Tagen dem Sold von vier Jahren entsprach, und danach war die ganze Stadt samt den umliegenden Gemeinden zu einem üppigen Festmahl eingeladen. »Wenn Murena jetzt nicht gewinnt«, bemerkte Cicero auf dem Heimweg, »dann hat er nicht verdient zu leben.«
    Am nächsten Tag erlangte Servius’ und Catos Vorlage durch die Zustimmung der Volksversammlung Gesetzeskraft. Als Cicero nach Hause zurückkehrte, wurde er schon von Terentia erwartet. Ihr Gesicht war bleich, aber ihre Stimme war ruhig. Sie sei gerade vom Tempel der Bona Dea zurückgekommen, sagte sie. Sie habe schlimme Nachrichten, Cicero müsse sich auf einen schweren Schlag gefasst machen. Ihre Freundin, die adelige Dame, die ihn vor den Mordplänen gegen ihn gewarnt habe, sei heute Morgen vor ihrem Haus tot aufgefunden worden. Man habe ihr von hinten mit einem Hammer den Kopf eingeschlagen, die Kehle durchgeschnitten und die Eingeweide herausgenommen.

    Als Cicero sich von dem Schock erholt hatte, schickte er nach Quintus und Atticus. Sie kamen sofort und hörten sich entsetzt die Geschichte an. Ihre erste Sorge galt der Sicherheit
des Konsuls. Man verständigte sich darauf, ein paar Männer zu holen, die über Nacht im Haus bleiben und die Räume im Erdgeschoss im Auge behalten sollten. Andere würden ihn tagsüber in der Öffentlichkeit begleiten. Vom Haus zum Senat und wieder zurück würde er verschiedene Wege nehmen. Zur Bewachung der Haustür sollte ein bissiger Hund gekauft werden.
    »Ich komme mir vor wie ein Gefangener, wie lange soll ich noch so leben? Bis zu meinem Tod?«
    »Nein, bis zu Catilinas Tod«, sagte Terentia und offenbarte damit wieder einmal ihre seltene Gabe, gleich auf den Kern eines Problems zu kommen. »Solange er in Rom ist, bist du nicht sicher.«
    Das sah er ein und gab murrend sein Einverständnis, worauf Atticus einen Boten zu einem seiner Freunde aus dem Ritterstand sandte. »Aber warum musste er sie töten?«, fragte Cicero sich laut. »Wenn er sie verdächtigte, meine Informantin zu sein, warum hat er dann Curius nicht einfach gewarnt, in ihrer Gegenwart nichts mehr zu sagen?«
    »Weil es ihm Spaß macht, Menschen zu töten«, sagte Quintus.
    Cicero dachte eine Zeit lang nach, dann wandte er sich an mich. »Schick einen der Liktoren los, er soll Curius suchen und ihm sagen, dass ich ihn sprechen will, sofort.«
    »Du willst jemanden in dein Haus kommen lassen, der zu der Verschwörerbande gehört, die dich ermorden will?«, rief Quintus aufgebracht. »Bist du wahnsinnig?«
    »Ich bin ja nicht allein. Du bist da. Wahrscheinlich kommt er sowieso nicht. Aber wenn doch, dann erfahren wir vielleicht etwas Neues.« Er schaute in unsere besorgten Gesichter. »Was ist? Hat einer eine bessere Idee?«
    Niemand hatte eine, also ging ich hinaus zu den Liktoren, die in einer Ecke des Atriums würfelten, und befahl dem jüngsten von ihnen, Curius zu suchen und herzubringen.
    Es war einer dieser endlos langen, heißen Sommertage, an denen die Sonne einfach nicht untergehen will, und ich weiß noch, dass kein Lüftchen sich rührte und die Staubpartikel reglos in den verblassenden Sonnenstrahlen hingen. An solchen Abenden, wenn sogar in der Stadt die einzigen Geräusche das Brummen der Insekten und das leise Trällern der Vögel waren, erschien einem Rom älter als alles sonst auf der Welt, ja älter als die Erde selbst, wie aus der Zeit gefallen. Unfassbar, dass in seinem Innersten, im Senat, Kräfte wirkten, die es zerstören konnten. Stumm saßen wir da, zu angespannt, um das aufgetragene Essen anzurühren. Die von Atticus angeforderten zusätzlichen Leibwachen trafen ein und bezogen im Flur Stellung. Die Schatten wurden länger,

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