02 - Von dir kann ich nicht lassen
plötzlich unendlich weit entfernt schien. »Du
wirst mir, bei Gott, Unterstützung zuteil werden lassen und deinen
unverschämten Mund halten.«
Lord
Oliver zog Weste und Jacke wieder an, während Viscount Russell seine Pistole
einpackte und an Jocelyn vorüberschritt, um auch die andere einzusammeln.
»Sie
sollten Ihren Stolz besser hinunterschlucken«, sagte das Mädchen, »und
zulassen, dass Ihre Freunde Sie tragen.«
Ihre
Schulter gab unter seinem Gewicht nicht nach. Sie war recht groß und schlank,
aber sie war kein Schwächling. Sie war körperliche Arbeit zweifellos gewohnt.
Wahrscheinlich war sie Ohrfeigen und Schläge für ihre Unverschämtheit ebenso
gewohnt. Er hatte von Dienstmädchen noch niemals etwas Derartiges gehört.
Er war
einer Ohnmacht nahe, als er schließlich die Decke unter einer Eiche erreichte.
»Legen
Sie sich hin, Euer Gnaden«, riet der Arzt, »dann werde ich nachsehen, welcher
Schaden entstanden ist. Ich muss gestehen, dass mir die Lage der Wunde nicht
gefällt. Und all das Blut. Ich wage zu behaupten, dass das Bein wahrscheinlich
abgenommen werden muss.«
Er
redete wie ein Barbier, der eine Haarsträhne entdeckt hat, die sich nicht in
den übrigen Schopf einfügt. Er war ein pensionierter Armeechirurg, ein
»Bauchaufschneider«, der von Lord Oliver unterstützt wurde. Aderlass und
Amputation waren wahrscheinlich seine einzigen Antworten auf jegliche Art
physischer Leiden.
Jocelyn
fluchte beredt.
»Das
können Sie doch nicht auf einen Blick erkennen«, besaß das Dienstmädchen dem
Arzt gegenüber die Frechheit festzustellen, »und eine solch entsetzliche
Voraussage treffen.«
»Conan«,
sagte Jocelyn, die Zähne nun in dem nutzlosen Versuch, den Schmerz zu
kontrollieren, fest zusammengebissen, »hol mein Pferd.« Es war nicht weit
entfernt angepflockt.
Seine
Freunde, die sich um ihn versammelt hatten, erhoben lautstark Protest.
»Sein
Pferd holen? Er ist verrückt wie immer.«
»Ich
habe meine Kutsche hier, Tresham. Nimm sie. Ich werde sie herbringen lassen.«
»Bleib,
wo du bist, Brougham. Er ist nicht bei Sinnen.«
»Tapferer
Bursche, Tresham. Zeig ihnen, was in dir steckt, alter Junge.«
»Hol
mein verdammtes Pferd!«, stieß Jocelyn zwischen den zusammengebissenen Zähnen
hervor. Er umklammerte fest die Schulter des Mädchens.
»Ich
werde erheblich zu spät kommen«, schalt sie. »Ich werde bestimmt meine Stellung
verlieren.«
»Und
das geschieht dir auch recht«, erwiderte Jocelyn mit ihren eigenen
Worten, seine Stimme bar allen Mitgefühls, während sein Freund unter Protest
des Arztes davon schritt, um das Pferd heranzuführen.
»Schweigen
Sie, Sir!«, wies Jocelyn ihn an. »Ich werde meinen eigenen Arzt zum Dudleyhaus
rufen lassen. Dem wird seine Zukunft zu kostbar sein, als dass er vorschlagen
wird, das Bein abzusägen. Hilf mir zu meinem Pferd, Kleine.«
Aber da
tauchte Lord Oliver vor ihm auf, bevor er sich abwenden konnte.
»Sie
sollten wissen, dass die Angelegenheit für mich noch nicht erledigt ist,
Tresham«, sagte er, seine Stimme atemlos und zittrig, als wäre er der
Verletzte. »Sie werden die Ablenkung durch das Mädchen zweifellos benutzen, um
meinen Namen mit Unehre zu beflecken. Und jedermann wird über mich lachen,
wenn bekannt wird; dass Sie voller Verachtung in die Luft geschossen haben.«
»Also
wären Sie lieber tot?« Der Tod schien Jocelyn in diesem besonderen Augenblick
ein eher wünschenswerter Zustand. Er würde das Bewusstsein verlieren, wenn er
sich nicht sehr konzentrierte.
»Sie
werden sich in Zukunft von meiner Frau fernhalten, wenn Sie wissen, was gut für
Sie ist«, sagte Lord Oliver. »Das nächste Mal gewähre ich Ihnen vielleicht
nicht die Ehre einer Herausforderung. Ich könnte Sie vielleicht wie den Hund
niederschießen, der Sie sind.«
Er
schritt davon, ohne eine Antwort abzuwarten, begleitet von einem weiteren
Schwall von »Schande!«Rufen der Zuschauer, von denen einige zweifellos
enttäuscht darüber waren, dass sie nicht Zeuge wurden, wie der
»Bauchaufschneider« auf dem Rasen des Hyde Park seinem Gewerbe nachging.
»Mein
Pferd, Kleine.« Jocelyn umfasste ihre Schulter erneut fester und tat die
wenigen Schritte zu Cavalier, dessen Kopf Conan festhielt.
Es war
ein beängstigendes Unterfangen aufzusteigen, das schier unmöglich gewesen wäre,
hätte nicht sein Stolz auf dem Spiel gestanden und hätte er nicht die
Hilfe seines schweigenden, aber missbilligenden Freundes gehabt. Es erstaunte
Jocelyn, dass eine
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