02 - Von dir kann ich nicht lassen
Gentleman als
Tresham wäre wohl kaum zu finden. Er ist der wahrhaftige Teufel.«
Jane
hatte einen Moment erleichtert aufgeseufzt. Ihr würde doch geglaubt werden.
Aber dann hatte Madame plötzlich den Kopf zurückgelegt, verächtlich gelacht und
sich im Arbeitsraum zu den anderen Mädchen umgedreht, und diese,
Speichellecker, die sie alle waren, hatten ebenfalls verächtlich gelacht.
»Und du
willst mir erzählen, dass der Duke of Tresham die Unterstützung der
Ladengehilfin einer Putzmacherin brauchte, nachdem er eine Kugel ins Bein
bekam?«, hatte Madame gefragt. Die Frage war eindeutig rhetorisch. Sie hatte
auch nicht innegehalten, um eine Antwort abzuwarten. »Du solltest mich nicht
für eine Närrin halten, meine Liebe. Du hast irgendeinen Aufruhr gesehen und
bist dageblieben, um gaffen zu können, nicht wahr? Haben sie ihm die Kniehose
ausgezogen, um sein Bein zu behandeln? Ich kann dir kaum Vorwürfe deswegen
machen, dass du diesen Anblick genießen wolltest. Aber du solltest wissen, dass diese Kniehose nicht ausgepolstert ist.«
Die
anderen Mädchen hatten erneut gekichert, während Jane gespürt hatte, wie sie
errötete teils vor Verlegenheit, teils vor Zorn.
»Sie
nennen mich also eine Lügnerin?«, hatte sie unbedacht gefragt.
Madame
de Laurent hatte sie durchdringend angesehen. »Ja, Miss Hochnäsig«, hatte sie
schließlich gesagt. »Das tue ich. Und ich brauche deine Dienste nicht mehr.
Nicht, wenn du nicht ...«Sie hatte innegehalten, um sich erneut schmunzelnd
nach den Mädchen umzusehen. »Nicht, wenn du mir nicht einen vom Duke of Tresham
persönlich unterzeichneten Brief bringst, der deine Geschichte bestätigt.«
Die
Mädchen waren in krampfartiges, Kichern ausgebrochen, während Jane sich
umgewandt und den Laden verlassen hatte. Während sie nun davonging, fiel ihr
ein, dass sie nicht einmal um den verdienten Lohn für zwei Tage gebeten hatte.
Und was
nun? Zu der Stellenvermittlung zurückkehren, die ihr diese Arbeit vermittelt
hatte? Nachdem sie nur zwei Tage gearbeitet hatte? Ein Teil des Problems zuvor
war gewesen, dass sie keine Referenzen besaß und keinerlei Erfahrung. Aber
schlimmer als keine Referenzen und keine Erfahrung zu haben, wäre gewiss die
Entlassung nach nur zwei Tagen Arbeit wegen Unpünktlichkeit und Lügen.
Sie
hatte ihr letztes Geld vor drei Tagen ausgegeben für ausreichende
Nahrung bis zum Zahltag und für das billige, zweckdienliche Kleid, das sie
trug.
Jane
hielt jäh auf dem Bürgersteig inne, ihre Beine vor Panik schwach. Was konnte
sie tun? Wo konnte sie hingehen? Sie hatte kein Geld mehr, selbst wenn sie
verspätet beschlösse, Charles suchen zu wollen. Sie hatte noch nicht einmal
mehr Geld, um auch nur einen Brief verschicken zu können. Und vielleicht wurde
sie inzwischen bereits verfolgt. Sie befand sich immerhin schon länger als zwei
Wochen in London und hatte nichts unternommen, um ihre Spur hier zu verbergen.
jemand könnte ihr sehr wohl gefolgt sein, besonders wenn ...
Aber
erbleichend schob sie jeden Gedanken an eine solche Möglichkeit weit von sich.
Sie
könnte jeden Moment ein bekanntes Gesicht sehen und die Wahrheit in diesem
Gesicht erkennen , dass sie tatsächlich verfolgt würde. Und doch wurde
ihr jetzt die Möglichkeit verwehrt, in der vergleichsweise anonymen Welt der
arbeitenden Klasse unterzutauchen.
Sollte
si e eine weitere Stellenvermittlung aufsuchen und die Erfahrung der
vergangenen zwei Tage verschweigen? Gab es irgendwelche Stellenvermittlungen,
die sie nicht bereits ein halbes, Dutzend Mal aufgesucht hatte?
Und
dann prallte ein stattlicher, eiliger Gentleman schmerzhaft gegen sie und
verwünschte sie, bevor er weiterging. Jane rieb sich ihre wunde Schulter und
spürte erneut Zorn aufkommen heute ein vertrautes Gefühl. Sie war auch
schon auf den schlecht gelaunten Duellanten zornig gewesen offensichtlich
der Duke of Tresham. Er hatte sie wie einen Gegenstand behandelt, dessen
einziger Daseinszweck es war, ihm zu dienen. Und dann war sie zornig auf Madame
gewesen, die sie eine Lügnerin genannt und dem Spott preisgegeben hatte.
Waren
Frauen der niederen Klassen so gänzlich machtlos, so vollkommen ohne jegliches
Recht auf Respekt?
Dieser
Mann sollte
erfahren, dass er der Grund für den Verlust ihrer Anstellung war. Er sollte
erfahren, was eine Arbeit für sie bedeutete das Überleben! Und Madame
sollte erfahren, dass sie sie nicht ohne wie auch immer gearteten Beweis eine
Lügnerin nennen durfte. Was hatte sie gerade vor
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