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02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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konnte.
    „Sagt“, rief ich in ängstlicher Hast, „gibt es einen Weg, welcher hier unten aus dem Tal führt?“
    „Nein, nein!“ stöhnte er unter der krampfhaften Anstrengung, von mir loszukommen. „Laßt mich fahren, sage ich Euch, laßt mich fahren. Ich brauche Euch nicht, ich bin mir selbst genug!“
    Natürlich konnte ich auf dieses Verlangen nicht achten und musterte mit Aufmerksamkeit den nahe zusammentretenden Horizont, welchen die beiden schroff aufsteigenden Talwände bildeten. Da fühlte ich einen Druck in der Gürtelgegend, und zugleich rief der Knabe:
    „Was wollt Ihr mit mir? Laßt mich los, gebt mich frei, oder ich stoße Euch Euer eigenes Messer in den Leib!“
    Ich sah eine Klinge in seiner Hand funkeln; er hatte mein Bowiemesser an sich gerissen. Ich hatte keine Zeit zu einer langen Auseinandersetzung, sondern vereinte nur mit einem raschen Griff seine beiden Handgelenke in meiner Rechten, während ich mit dem linken Arm ihn immer fester umschloß.
    Mit jeder Sekunde wuchs die Gefahr. Der glühende Strom hatte die Lagerräume erreicht, und nun sprangen die Fässer mit kanonenschußähnlichem Knall und ergossen ihren sofort in heller Lohe brennenden Inhalt in das auf diese Weise immer mehr anwachsende und immer rascher vorwärts schreitende Feuermeer. Die Atmosphäre war zum Ersticken heiß; ich hatte das Gefühl, als koche ich in einem Topf siedenden Wassers, und doch wuchsen Hitze und Trockenheit mit solcher Rapidität, daß ich innerlich zu brennen vermeinte. Fast wollten mir die Sinne schwinden; aber es galt nicht bloß mein Leben, sondern noch viel mehr dasjenige des Knaben.
    „Come on, Swallow, voran, voran, Swall – !“
    Die fürchterliche Hitze versenkte mir das Wort im Mund; ich konnte nicht weiter sprechen. Es war aber ein solcher Zuruf gar nicht notwendig, denn das brave, herrliche Tier raste ja mit einer schier unmöglichen Geschwindigkeit dahin. So viel sah ich, diesseits des Flusses war kein Ausweg. Die Flammen beleuchteten die Felswände hell genug, um sehen zu lassen, daß die letzteren nicht zu erklimmen seien, deshalb ins Wasser, ins Wasser – hinüber auf die andere Seite!
    Ein leiser Schenkeldruck – ein Sprung des gehorsamen Mustangs, und hochauf schlugen die Wellen über uns zusammen. Ich fühlte neue Kraft, neues Leben durch meine Adern pulsieren, aber das Pferd war unter mir verschwunden. Doch das war jetzt gleich; nur hinüber – immer hinüber! Swallow war schneller gewesen als das lohende Element; jetzt aber kam es flammend und himmelhoch züngelnd den Fluß herabgewälzt und fand in dem aus der Quelle hineingeleiteten Petroleum immer neue Nahrung. In einer Minute, in einer Sekunde, ach, vielleicht schon in einem Augenblick mußte es mich erreichen. Der jetzt bewußtlose Knabe hing mit todesstarren Armen an mir; ich schwamm wie noch nie, nie in meinem Leben, oder nein, ich schwamm nicht, sondern schnellte mich in wahnsinnigen Sätzen über die von zuckenden Lichtern bis auf den Grund hinab durchblitzte Flut. Ich fühlte eine Angst, so furchtbar – so furchtbar –  –  –. Da schnaufte es an meiner Seite. „Swallow, du treuer, wackerer – bist du's? – Hier ist das Ufer –  – wieder in den Sattel – ich komme nicht hinauf – es ist, als sei mir das innerste Mark verdorrt – Herr Gott, hilf, ich kann nicht liegenbleiben – noch einmal es gelingt – Swallow, fort fort – wohin du willst, nur hinaus, hinaus aus diesem Höllenbrand!“
    Es ging weiter, nur das wußte ich; wohin, danach fragte ich nicht. Die Augen lagen mir wie geschmolzenes Metall in ihren Höhlen, und das von ihnen aufgefangene Licht wollte mir das Hirn verbrennen; die Zunge strebte zwischen den trockenen Lippen hervor; ich hatte durch den ganzen Körper ein Gefühl, als bestehe er aus glimmendem Schwamm, dessen lockere Asche jeden Moment auseinanderfallen könne. Das Pferd unter mir schnaubte und stöhnte mit fast menschlichem Wehelaut; es lief, es sprang, es kletterte, es schoß über Felsen, Vorsprünge, Risse, Kanten und Spitzen mit tiger-, mit schlangenartigen Bewegungen. Ich hatte mit der Rechten seinen Hals umklammert und hielt mit der Linken noch immer den Knaben fest. Noch einen Satz, einen weiten, fürchterlichen Satz – endlich, endlich ist die Felswand überwunden – noch einige hundert Schritte vom Feuer hinweg und in die Prärie hinein, und Swallow blieb stehen; ich sank von ihm zur Erde nieder.
    Die Aufregung, die Überanstrengung war so groß,

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