Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
02 - Winnetou II

02 - Winnetou II

Titel: 02 - Winnetou II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
daß sie die Ohnmacht besiegte, die sich meiner bemächtigen wollte. Ich raffte mich langsam wieder empor, schlang die Arme um den Hals des treuen, unvergleichlichen Tieres, welches an allen Gliedern zitterte, und küßte es unter konvulsivischem Weinen mit einer Inbrunst, wie wohl selten ein Liebender die Auserwählte seines Herzens geküßt hat.
    „Swallow, du köstlicher, ich danke dir, du hast mich, du hast uns beide erhalten. Diese Stunde soll dir nie vergessen werden!“
    Der Himmel glänzte blutig rot, und der Brodem des entfesselten Elements ruhte in dichten, schwarzen, von purpurnen Strahlen durchbrochenen Ballen über dem Herd der Verwüstung. Aber ich hatte keine Zeit zu diesen Betrachtungen, denn vor mir lag, das Messer noch immer krampfhaft festhaltend, Harry, bleich, kalt und starr, so daß ich ihn tot glaubte, ertrunken in den Fluten des Wassers, während ich ihn den Flammen entreißen wollte.
    Seine Kleidung war durchnäßt und legte sich eng an die leblosen Glieder; auf dem erbleichten Angesicht spielten die düsteren Reflexe der über den Rand der Ebene emporsprühenden Feuerstrahlen. Ich nahm ihn in die Arme, strich ihm das Haar über die Stirn, rieb ihm die Schläfe, legte, um seiner regungslosen Brust Atem zu geben, meinen Mund auf seine Lippen, kurz, tat alles, was ich in meiner eigenen Hilfslosigkeit zu tun vermochte, um ihn in das Leben zurückzurufen.
    Da – endlich – ging ein Zittern über seinen Körper, erst leise, dann immer bemerkbarer; ich fühlte das Klopfen seines Herzens und den Hauch des wieder erwachten Odems. Er erwachte, öffnete weit, weit das Auge und starrte mir mit einem unbeschreiblichen Ausdruck in das Gesicht. Dann belebte sich der wiederkehrende Blick, und mit einem lauten Schrei sprang er empor.
    „Wo bin ich – wer seid Ihr – was ist geschehen?“ rief er aus.
    „Ihr seid gerettet aus der Glut da unten!“
    Bei dem Klang meiner Stimme und dem Anblick des noch immer hochlodernden Brandes kehrte ihm die Besinnung wieder vollständig zurück.
    „Glut –? Da unten –? Herrgott, es ist wahr, das Tal hat gebrannt, und Forsters –“
    Als besinne er sich bei dem letztgenannten Namen auf die Gefahr, in welcher er die Verwandten zurückgelassen hatte, erhob er drohend den Arm.
    „Herr, Ihr seid ein Feigling, ein elender Feigling, ein Coyote, wie Ihr schon gehört habt! Ihr konntet sie retten, alle, alle, aber Ihr seid geflohen, wie der Schakal flieht vor dem Gebell eines elenden Hundes. Ich – verachte Euch; ich –  –  – muß fort, fort zu ihnen!“
    Er wollte fort. Ich hielt ihn bei der Hand fest.
    „Bleibt! Es ist nichts mehr zu tun; Ihr lauft nur in Euer eigenes Verderben!“
    „Laßt mich. Ich habe mit Euch, Memme, nichts zu schaffen!“
    Er riß seine Hand los und stürzte fort. Ich fühlte einen kleinen Gegenstand in meinen Fingern. Es war ein Ring, den er sich bei dem kräftigen Ruck abgestreift hatte.
    Ich folgte ihm; aber schon war er im Schatten der steil abfallenden Klippen verschwunden. Ich konnte dem Knaben nicht zürnen. Er war noch jugendlich, und die Katastrophe hatte ihm die Ruhe geraubt, welche zu einem richtigen Urteil stets unerläßlich ist. Ich steckte den Ring zu mir und setzte mich nieder, um von der fürchterlichen Anstrengung auszuruhen, die Nacht hierzubleiben und den Anbruch des Morgens zu erwarten, denn früher war es unmöglich, hinab in den Bluff zu gelangen.
    Noch zitterten alle meine Nerven, und das Tal, in welchem noch immer die Petroleumglut lohte, kam mir wie eine Hölle vor, der ich entkommen war. Der alte Anzug, den ich getragen hatte, fiel mir wie Zunder vom Leib; ich zog den neuen an, der beim Durchreiten des Flusses naß geworden und infolgedessen unversehrt geblieben war.
    Swallow lag ganz in meiner Nähe; es gab da Gras, aber er fraß nicht; das brave Tier war ebenso oder noch mehr angegriffen als ich selbst. Was war aus den Bewohnern des Tales geworden? Diese Frage ließ mich nicht schlafen, obgleich ich der Ruhe sehr bedurfte. Ich wachte während der ganzen Nacht und trat wiederholt hart an den Rand des Bluffes, um hinabzublicken. Das Feuer hatte nicht mehr den früheren Umfang, die vorherige Ausdehnung gewährte aber dennoch einen Anblick, den ich nie vergessen werde. Das Petroleum stieg in einer starken und wohl dreißig Ellen hohen Fontaine aus dem Bohrloch in die Luft empor; dieser Ölstrahl brannte, zerstob oben in einzelne Garben und tausend sprühende Funken, fiel zur Erde nieder und rann dann

Weitere Kostenlose Bücher