02 - Winnetou II
den Vereinigten Staaten als Präsident der Republik von Mexiko anerkannt worden, und dieselben weigerten sich ganz entschieden, ihn gegen Maximilian fallen zu lassen. Sie betrachteten den Kaiser nach wie vor als Usurpator und begannen, auf Napoleon jenen Druck auszuüben, welcher ihn dann zu der erzwungenen Erklärung veranlaßte, seine Truppen aus Mexiko zurückzuziehen. Durch die Erfolge Preußens im deutschen Kriege indirekt gezwungen, hielt er auch Wort, und von da an war der Untergang Maximilians besiegelt.
Texas hatte sich beim Ausbruch des Bürgerkrieges für die Sezession erklärt und sich also an die Seite der Sklavenstaaten gestellt. Die Niederwerfung der letzteren hatte keineswegs eine schnelle Beruhigung der Bevölkerung zur Folge. Man war erbittert gegen den Norden und verhielt sich infolgedessen feindselig gegen dessen Politik. Eigentlich war die Bevölkerung von Texas gut republikanisch gesinnt. Man schwärmte für Juarez, den ‚indianischen Helden‘, welcher sich nicht gescheut hatte, es mit Napoleon und einem Sprossen des mächtigen Hauses Habsburg aufzunehmen. Aber weil die Regierung von Washington es mit diesem ‚Helden‘ hielt, konspirierte man im stillen gegen denselben. So ging ein tiefer Riß durch die Bevölkerung von Texas. Die einen traten offen für Juarez auf; die andern erklärten sich gegen denselben, nicht aus Überzeugung, sondern nur aus reiner Widerstandslust. Infolge dieses Zwiespalts war es nicht leicht, durch das Land zu reisen. Alle Vorsicht des einzelnen, seine politische Farbe verbergen zu wollen, war vergeblich; man wurde förmlich gezwungen, mit derselben hervorzutreten.
Was die in Texas ansässigen Deutschen betrifft, so waren sie mit sich selbst uneins. Als Deutsche sympathisierten sie mit Maximilian, doch entsprach es ihrem Patriotismus nicht, daß er unter der Ägide Napoleons nach Mexiko gekommen war. Sie hatten genug republikanische Luft eingeatmet, um zu glauben, daß der Einfall der Franzosen im Lande Montezumas ungerecht sei und nur den Zweck verfolge, durch Auffrischung der französischen Gloire den Blick der Franzosen von den eigenen unheilbaren Gebrechen abzulenken. Aus diesem Grunde verhielten sich die Deutschen schweigend und standen jeder politischen Demonstration fern, zumal es während des Sezessionskrieges mit den Nordstaaten und gegen die Sklavenbarone gehalten hatten.
So standen die Verhältnisse, als wir die flache, langgestreckte Nehrung zu Gesicht bekamen, welche die Matagorda-Bai vom mexikanischen Golf trennt. Wir segelten durch den Paso Caballo ein, mußten dann aber schnell die Anker fallen lassen, da die Bai so seicht ist, daß tiefer gehende Schiffe Gefahr laufen, auf den Grund zu geraten.
Hinter der Nehrung ankerten kleinere Fahrzeuge, vor derselben in See mehrere große Schiffe, Dreimaster und auch ein Dampfer. Ich ließ mich natürlich sofort nach Matagorda rudern, um mich zu erkundigen, ob es eine baldige Gelegenheit nach Quintana gebe. Leider hörte ich, daß erst nach Verlauf von zwei Tagen ein Schoner dorthin gehen werde. Ich saß also fest und ärgerte mich, denn Gibson erhielt nun einen Vorsprung von vier Tagen, welchen er benutzen konnte, spurlos zu verschwinden. Ich hatte nur den einen Trost, alles getan zu haben, was unter den obwaltenden Verhältnissen möglich gewesen war.
Da mir nichts anderes übrig blieb als geduldig zu warten, so suchte ich mir ein Gasthaus und ließ mein Gepäck vom Schiff holen.
Matagorda war damals ein kleinerer Ort als jetzt. Er liegt im östlichen Teile der Bai und ist ein Hafenplatz von weit geringerer Bedeutung als zum Beispiel Galveston. Wie überall in Texas, so besteht auch hier die Küste aus einer sehr ungesunden Niederung, welche zwar nicht gerade morastig genannt werden kann, aber doch sehr wasserreich ist. Man kann sich da sehr leicht das Fieber holen, und so war es mir gar nicht lieb, hier so lange verweilen zu müssen.
Mein ‚Hotel‘ glich einem deutschen Gasthof dritten oder vierten Ranges, mein Zimmer einer Schiffskoje, und das Bett war so kurz, daß ich beim Schlafen entweder den Kopf oben oder die Beine unten hinaushängen lassen mußte.
Nachdem meine Sachen untergebracht waren, ging ich aus, um mir den Ort anzusehen. Aus meiner Stube tretend, mußte ich, um zur Treppe zu gelangen, an einer jetzt offen stehenden Tür vorüber. Ich warf einen Blick in den Raum und sah, daß derselbe genau so wie der meinige möbliert war. An der Wand lag ein Sattel auf dem Boden und über
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