02 - Winnetou II
fürchtete, so war es mir doch lieb, daß Winnetou sich erbot, mich zu begleiten. Wir konnten wohl abkommen, weil Old Firehand an Sam Hawkens und Harry genug hatte. Sie pflegten ihn, und für Nahrung sorgten die Soldaten, welche abwechselnd auf die Jagd gingen. Wir machten uns also auf den Weg und kamen, da Winnetou die Gegend genau kannte, schon am dritten Tag an den Turkey-River oder Turkey-Creek. Es gibt mehrere kleine Flüsse dieses Namens; der, welchen ich hier meine, ist bekannt wegen der vielen und blutigen Zusammenstöße, welche die Weißen im Lauf der Zeit mit den verschiedenen Stämmen der Sioux dort gehabt haben.
Wie nun den Pedlar finden? Wenn er bei den Indianern war, galt es für uns, außerordentlich vorsichtig zu sein. Es gab aber am Fluß und in der Nähe desselben auch weiße Ansiedler, welche es vor einigen Jahren gewagt hatten, sich da niederzulassen, und so war es also geraten, zunächst einen von ihnen aufzusuchen, um uns bei ihm zu erkundigen. Wir ritten also den Fluß entlang, doch ohne die Spur einer Wohnung zu finden, bis wir gegen Abend endlich ein Roggenfeld erblickten, an welches sich andere Felder schlossen. An einem Bach, welcher sein Wasser in den Fluß ergoß, lag ein aus rohen, starken Baumstämmen zusammengefügtes, ziemlich großes Blockhaus mit einem von einer starken Fenz (Holzzaun) umgebenen Garten. Seitwärts davon umschloß eine ebensolche Fenz einen freien Raum, auf welchem sich einige Pferde und Kühe befanden. Dorthin ritten wir, stiegen ab, banden unsere Pferde an und wollten dann nach dem Haus gehen, welches schmale, schießschartenähnliche Fenster besaß. Da sahen wir aus zwei von diesen Fenstern je einen auf uns gerichteten doppelten Gewehrlauf erscheinen, und eine barsche Stimme rief uns zu:
„Halt! Bleibt stehen! Hier ist kein Taubenhaus, wo man ein- und ausfliegen kann, wie es einem beliebt. Wer seid Ihr, Weißer, und was wollt Ihr hier?“
„Ich bin ein Deutscher und suche den Pedlar, der sich in dieser Gegend befinden soll“, antwortete ich.
„So seht, wo Ihr ihn findet! Ich habe nichts mit Euch zu tun. Trollt Euch von dannen!“
„Aber, Sir, Ihr werdet doch so vernünftig sein, mir die Auskunft, wenn Ihr sie geben könnt, nicht zu verweigern. Man weist doch nur Gesindel von der Tür.“
„Ist sehr richtig, was Ihr da sagt, und darum weise ich Euch eben fort.“
„Ihr haltet uns also für Gesindel?“
„Yes!“
„Warum?“
„Das ist meine Sache; brauche es Euch eigentlich nicht zu sagen; aber Eure Angabe, daß Ihr ein Deutscher seid, ist jedenfalls eine Lüge.“
„Es ist die Wahrheit.“
„Pshaw! Ein Deutscher getraut sich nicht so weit hierher; es müßte denn Old Firehand sein, der einer ist.“
„Von dem komme ich.“
„Ihr? Hm! Woher denn?“
„Drei Tagesritte weit von hier, wo er sein Lager hat. Vielleicht habt Ihr davon gehört?“
„Ein gewisser Dick Stone war einmal da und hat mir allerdings gesagt, daß er ungefähr so weit zu reiten habe, um zu Old Firehand zu kommen, zu dem er gehörte.“
„Der lebt nicht mehr; er war ein Freund von mir.“
„Mag sein; aber ich darf Euch nicht trauen, denn Ihr habt einen Roten bei Euch, und die gegenwärtigen Zeiten sind nicht danach, daß man Leute dieser Farbe bei sich eintreten läßt.“
„Wenn dieser Indianer zu Euch kommt, so müßt Ihr es als eine Ehre ansehen, denn er ist Winnetou, der Häuptling der Apachen.“
„Winnetou? Alle Wetter, wenn das wahr wäre! Er mag mir doch einmal sein Gewehr zeigen!“
Winnetou nahm seine Silberbüchse vom Rücken und hielt sie so, daß der Settler sie sehen konnte, da rief dieser:
„Silberne Nägel! Das stimmt. Und Ihr, Weißer, habt zwei Gewehre, ein großes und ein kleines; da komme ich auf eine Idee. Ist das große etwa ein Bärentöter?“
„Ja.“
„Und das kleine ein Henrystutzen?“
„Ja.“
„Und Ihr habt einen Prärienamen, welcher anders lautet als Euer eigentlicher, den Ihr mir gesagt habt?“
„Sehr richtig!“
„Seid Ihr etwa Old Shatterhand, der allerdings ein Deutscher von drüben herüber sein soll?“
„Der bin ich allerdings.“
„Dann herein, schnell herein, Mesch'schurs! Solche Leute sind mir freilich hochwillkommen. Ihr sollt alles haben, was euer Herz begehrt, wenn ich es besitze.“
Die Gewehrläufe verschwanden, und gleich darauf erschien der Settler unter der Tür. Er war ein ziemlich alter, kräftiger und starkknochiger Mann, dem man es beim ersten Blick ansah, daß er mit dem Leben
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