02 - Winnetou II
er mir das Geld gegeben; ich kann also fort, sobald es mir beliebt. Ich gehe nach Mexiko.“
„Seid Ihr des Teufels, Sir?“ rief Old Death.
„Ich? Weshalb denn?“
„Weil Ihr vorhin über Mexiko geklagt habt. Ihr gabt zu, daß man sich da drüben abschlachte. Und nun wollt Ihr selbst hin!“
„Geht nicht anders, Sir. Übrigens ist es nicht in der einen Gegend Mexikos wie in der andern. Da, wohin ich will, nämlich ein wenig hinter Chihuahua, ist der Krieg zu Ende. Juarez mußte zwar bis nach El Paso fliehen, hat sich aber bald aufgemacht und die Franzmänner energisch nach dem Süden zurückgetrieben. Ihre Tage sind gezählt; sie werden aus dem Land gejagt, und der arme Maximilian wird die Zeche zu bezahlen haben. Es tut mir leid, denn ich bin ein Deutscher und gönne ihm alles Gute. Um die Hauptstadt wird die Sache ausgefochten werden, während die nördlichen Provinzen verschont bleiben. Dort wohnt mein Schwiegersohn, zu dem ich mit dem Will gehen werde. Dort erwartet uns alles, was wir nur hoffen können, denn, Sir, der wackere Kerl ist als Silberminenbesitzer sehr wohlhabend. Er befindet sich jetzt über anderthalb Jahre in Mexiko und schreibt in seinem letzten Brief, daß ein kleiner Silberminenkönig angekommen sei, der ganz gewaltig nach dem Großvater schreie. Alle Teufel, kann ich da hierbleiben? Ich soll an der Mine eine gute Anstellung erhalten, mein Junge, der Will hier ebenso. Dazu kann ich dem kleinen Minenkönig das erste Abendgebet und dann das deutsche Alphabet und Einmaleins beibringen – Ihr seht, Mesch'schurs, daß es für mich kein Halten gibt. Ein Großvater muß unbedingt bei seinen Enkeln sein, sonst ist er nicht am richtigen Platz. Also will ich nach Mexiko, und wenn es Euch beliebt, mit mir zu reiten, so soll es mir lieb sein.“
„Hm!“ brummte Old Death. „Macht keinen Scherz, Sir! Es könnte kommen, daß wir Euch beim Wort hielten.“
„Was, Ihr wollt mit hinüber? Das wäre freilich prächtig. Schlagt ein, Sir! Wir reiten zusammen.“
Er hielt ihm seine Hand hin.
„Langsam, langsam!“ lachte Old Death. „Ich meine allerdings, daß wir wahrscheinlich nach Mexiko gehen werden, aber ganz gewiß ist es doch noch nicht, und wenn der Fall eintreten sollte, so wissen wir jetzt noch nicht, welche Richtung wir einschlagen werden.“
„Wenn es nur das ist, Sir, so reite ich mit Euch, wohin Ihr wollt. Von hier aus führen alle Wege nach Chihuahua, und es ist mir ganz gleich, ob ich heute dort ankomme oder morgen. Ich bin ein eigennütziger Kerl und sehe gern auf meinen Vorteil. Ihr seid ein gewandter Westmann und berühmter Fährtensucher. Wenn ich mit Euch reiten darf, komme ich sicher hinüber, und das ist in der jetzigen unruhigen Zeit von großem Wert. Wo gedenkt Ihr denn das Nähere zu erfahren?“
„Bei einem gewissen Señor Cortesio. Kennt Ihr den Mann vielleicht?“
„Ob ich den kenne! La Grange ist so klein, daß sich alle Katzen mit Du anreden, und dieser Señor ist ja derjenige, welcher mir das Haus abgekauft hat.“
„Vor allen Dingen möchte ich wissen, ob er ein Schuft oder ein Ehrenmann ist.“
„Das letztere, das letztere. Seine politische Färbung geht mich natürlich nichts an. Ob er kaiserlich oder republikanisch regiert sein will, das ist mir ganz gleich, wenn er nur sonst seine Pflicht erfüllt. Er steht mit der jenseitigen Grenze in reger Verbindung. Ich habe beobachtet, daß des Nachts Maultiere mit vollen, schweren Kisten beladen werden und daß sich heimlich Leute bei ihm versammeln, welche dann nach dem Rio del Norte gehen. Darum meine ich, man habe mit der Vermutung recht, daß er den Anhängern des Juarez Waffen und Munition liefere und ihnen auch Leute hinüberschicke, welche gegen die Franzosen kämpfen wollen. Das ist bei den hiesigen Verhältnissen ein Wagnis, welches man nur dann unternimmt, wenn man der Überzeugung ist, selbst bei einem jeweiligen Verlust dabei gute Geschäfte zu machen.“
„Wo wohnt er? Ich muß noch heute mit ihm reden.“
„Um zehn Uhr werdet Ihr ihn sprechen können. Ich hatte heute noch eine Unterredung mit ihm, deren Gegenstand sich aber indessen erledigt hat, so daß sie nicht mehr nötig ist. Er sagte, daß ich um zehn Uhr zu ihm kommen könne, er werde kurz vorher ankommen.“
„Hatte er Besuch, als Ihr bei ihm wart?“
„Den hatte er. Es waren Männer, welche bei ihm saßen, ein junger und ein älterer.“
„Wurden ihre Namen genannt?“ warf ich gespannt ein.
„Ja. Wir saßen fast eine Stunde
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