02 - Winnetou II
einmal, wie sie brüllen! Ich glaube, sie sprechen von dem Abenteuer auf dem Steamer.“
Er hatte recht. Die Neuangekommenen erzählten, wie es ihnen auf dem Dampfer ergangen war, dann von Old Death, dem Indianer und mir sowie von der Hinterlist des Kapitäns. Über die Ausübung ihrer Rache waren sie nicht einig gewesen. Die sechs Rowdies und deren Anhang hatten den Dampfer erwarten wollen, die andern aber nicht Lust oder Zeit dazu gehabt.
„Wir konnten uns natürlich nicht eine ganze Ewigkeit lang an das Ufer setzen“, sagte der Erzähler, „denn wir mußten hierher, wo wir erwartet wurden. Darum war es ein Glück, daß wir eine naheliegende Farm fanden, auf welcher wir uns Pferde borgten.“
„Borgten?“ fragte einer lachend.
„Ja, borgten, aber freilich nach unserer Weise. Sie reichten indessen nicht für uns, und wir mußten zu zweien auf einem Tier sitzen. Später machte sich die Sache besser. Wir fanden noch andere Farmen, so daß schließlich auf jeden Mann ein Pferd kam.“ Ein unbändiges Gelächter folgte dieser Diebstahlsgeschichte. Dann fuhr der Erzähler fort: „Ist hier alles in Ordnung? Und sind die Betreffenden gefunden?“
„Ja, wir haben sie.“
„Und die Anzüge?“
„Haben zwei Kisten mitgebracht; das wird ausreichen.“
„So gibt es ein Vergnügen. Aber auch die Spione und der Kapitän sollen ihr Teil haben. Der Steamer hält ja heute nacht hier in La Grange, und so wird der Kapitän zu finden sein, und den Indianer und die beiden Spione werden wir auch nicht lange vergeblich zu suchen brauchen. Sie sind sehr leicht zu erkennen. Der eine trug einen neuen Trapperanzug, und beide hatten Sättel mit, ohne aber Pferde bei sich zu haben.“
„Sättel?“ ertönte es jetzt in fast freudigem Ton. „Hatten nicht die zwei, welche vorhin kamen und da draußen sitzen, ihre – – –“
Er sagte das übrige leiser, das galt natürlich uns.
„Mesch'schurs“, meinte der Schmied, „es ist Zeit, daß wir uns von dannen machen, denn in einigen Minuten kommen sie heraus. Steigt Ihr schnell voran! Eure Sättel reichen wir Euch hinaus.“
Er hatte sehr recht, drum fuhr ich, ohne mich zu genieren, schleunigst zum Fenster hinaus; Old Death folgte, worauf die Schmiede uns unsere Sachen, auch die Gewehre, nachreichten und dann auch hinaussprangen.
Wir befanden uns an der Giebelseite des Hauses auf einem kleinen, eingezäunten Platz, welcher wohl ein Grasgärtchen sein sollte. Als wir über den Zaun sprangen, bemerkten wir, daß auch die andern Gäste, welche sich mit uns in der kleinen Stube befunden hatten, durch das Fenster gestiegen kamen. Auch sie durften nicht hoffen, von den Sezessionisten freundlich behandelt zu werden, und hielten es für das beste, unserm Beispiel zu folgen.
„Nun“, lachte Lange, „sie werden Augen machen, die Kerle, wenn sie die Vögel ausgeflogen finden. Ist aber wirklich am besten so.“
„Aber eine verteufelte Blamage für den Augenblick!“ schimpfte Old Death. „Es ist mir ganz so, als ob ich ihr höhnisches Gelächter hörte.“
„Laßt sie lachen! Wir lachen später, und das ist bekanntlich besser. Ich werde Euch schon beweisen, daß ich mich nicht vor ihnen fürchte, aber auf eine Wirtshausbalgerei lasse ich mich nicht ein.“
Die beiden Schmiede nahmen uns unsere Sättel ab und versicherten, sie könnten es nicht zugeben, daß ihre Gäste eine solche Last selbst schleppen müßten. Bald standen wir zwischen zwei Gebäuden. Das eine, links von uns, lag in tiefes Dunkel gehüllt, in dem andern, rechts, schimmerte ein Licht durch die Ladenritze.
„Señor Cortesio ist zu Hause“, sagte Lange. „Dort, wo der Lichtstreifen durchdringt, wohnt er. Ihr braucht nur an die Tür zu klopfen, so wird er Euch öffnen. Seid Ihr mit ihm fertig, so kommt da links herüber, wo wir wohnen. Klopft an den Laden, welcher sich neben der Tür befindet! Wir werden indessen einen Imbiß fertig machen.“
Sie begaben sich nach ihrem Haus, und wir beide wendeten uns nach rechts. Auf unser Klopfen wurde die Tür um eine schmale Lücke geöffnet, und eine Stimme fragte:
„Wer sein da?“
„Zwei Freunde“, antwortete Old Death. „Ist Señor Cortesio daheim?“
„Was wollen von Señor?“
Der Ausdrucksweise nach war es ein Neger, welcher diese Fragen stellte.
„Ein Geschäft wollen wir mit ihm machen.“
„Was, ein Geschäft? Es sagen, sonst nicht herein dürfen.“
„Sage nur, daß Master Lange uns schickt!“
„Massa Lange? Der sein gut. Dann
Weitere Kostenlose Bücher