02 - Winnetou II
selbst wenn er als Soldat eintreten müßte, es sehr bald zu etwas Besserem bringen. Er hat es unter den Abolitionisten trotz seiner Jugend bis zum Kapitän gebracht. Sein Name ist allerdings bloß Müller; aber vielleicht, ja höchst wahrscheinlich habt Ihr dennoch von ihm gehört. Er diente unter Sheridan und hat als Lieutenant bei dem berühmten Flankenmarsch über die Missionary-Ridge die Spitze der Avantgarde befehligt. Ihr wißt gewiß, welch kühne Raids (Reiterstückchen) damals ausgeführt worden sind. Müller war der besondere Liebling Sheridans und hatte infolgedessen den Vorzug, stets zu diesen gewagten Unternehmungen kommandiert zu werden. Er war auch der vielfach gefeierte Kavallerie-Offizier, welcher in der blutigen und in ihren Folgen so entscheidenden Schlacht bei Five-Forks den General Sheridan, welcher bereits gefangen war, wieder heraushieb. Darum meine ich, daß er keine schlechte Acquisition für Euch ist, Señor.“
Der Alte log ja das Blaue vom Himmel herunter! Aber durfte ich ihn Lügen strafen? Ich fühlte, daß mir das Blut in die Wangen stieg, aber der gute Cortesio hielt mein Erröten für Bescheidenheit, denn er reichte mir die Hand und sagte, ebenfalls lügend wie ein Zeitungsschreiber:
„Dieses wohlverdiente Lob braucht Euch nicht peinlich zu berühren, Señor Müller. Ich habe allerdings von Euch und Euern Taten gehört und heiße Euch herzlich willkommen. Auch Ihr werdet natürlich sofort als Offizier eintreten, und ich bin bereit, Euch gleich jetzt eine Summe in bar zur Verfügung zu stellen, welche zur Anschaffung alles Nötigen ausreicht.“
Old Death wollte beistimmen. Ich sah ihm das an; darum fiel ich schnell ein:
„Das ist nicht nötig, Señor. Wir haben nicht die Absicht, uns von Euch equipieren zu lassen. Zunächst haben wir nichts nötig als zwei Pferde, die wir vielleicht bekommen können. Sättel haben wir.“
„Das trifft sich gut. Ich kann Euch zwei tüchtige Tiere ablassen, und wenn Ihr sie wirklich bezahlen wollt, so werde ich sie Euch zu dem Einkaufspreis geben. Wir können morgen früh in den Stall gehen, wo ich Euch die Pferde zeigen werde. Es sind die besten, die ich habe. Habt Ihr schon ein Unterkommen für die Nacht?“
„Ja. Master Lange hat uns eingeladen.“
„Das trifft sich ausgezeichnet. Wäre dies nicht der Fall, so hätte ich Euch eingeladen, bei mir zu bleiben, obgleich meine Wohnung eine sehr beschränkte ist. Wie meint Ihr, wollen wir das übrige gleich jetzt oder morgen früh abmachen?“
„Gleich jetzt“, antwortete Old Death. „Welche Formalitäten sind denn zu erledigen?“
„Für jetzt gar keine. Ihr werdet, da Ihr alles selbst zahlt, erst nach Eurem Eintreffen beim Korps in Pflicht und Eid genommen. Das einzige, was zu tun ist, besteht darin, daß ich Euch mit Legitimation versehe und außerdem mit einem Empfehlungsschreiben, welches Euch die Chargen sichert, die Ihr nach Euern Eigenschaften zu beanspruchen habt. Es ist freilich besser, diese Schriftstücke sofort anzufertigen. Man kann hier nie wissen, was im nächsten Augenblick geschieht. Habt also hier eine Viertelstunde Geduld. Ich werde mich beeilen. Da liegen Zigarillos, und hier will ich Euch auch einen guten Schluck vorsetzen, von welchem ich sonst niemandem gebe. Davon ist leider nur eine einzige Flasche vorhanden.“
Er schob uns die Cigaretten hin und holte eine Flasche Wein herbei. Dann trat er an das Pult, um zu schreiben. Old Death zog mir hinter dem Rücken des Mexikaners eine Grimasse, aus welcher ich ersah, daß er sich höchst befriedigt fühle. Dann goß er sich ein Glas voll, brachte die Gesundheit Cortesios aus und leerte es auf einen Zug. Ich war bei weitem nicht so befriedigt wie er, denn die beiden Männer, auf welche ich es abgesehen hatte, waren noch gar nicht erwähnt worden. Das flüsterte ich dem Alten zu. Er antwortete mit einer Gebärde, welche mir sagen sollte, daß er das schon auch noch besorgen werde.
Nach Verlauf einer Viertelstunde hatte Old Death die vorher volle Flasche ganz allein ausgetrunken und Cortesio war fertig. Der letztere las uns vor dem Versiegeln das Empfehlungsschreiben vor, mit dessen Inhalt wir sehr zufrieden sein konnten. Dann füllte er nicht zwei, sondern vier Blanketts aus, von denen jeder von uns zwei erhielt. Zu meinem Erstaunen sah ich, daß es Pässe waren, der eine in französischer, der andere in spanischer Sprache gedruckt, und der erstere war von Bazame und der letztere von Juarez unterschrieben. Cortesio
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