02 - Winnetou II
stillen, denn die Röte der Verlegenheit war ihm bis an die Stirn getreten. Um diese Wirkung zu verstärken, fuhr Old Death fort:
„Euern Rock in Ehren, aber der meinige ist wenigstens ebensoviel wert. Es könnte Euch bei Eurer Jugend gar nichts schaden, von Old Death einige Ratschläge zu vernehmen. Wer ist denn jetzt Kommandant auf Fort Inge?“
„Major Webster.“
„Der noch vor zwei Jahren in Fort Ripley als Capt'n stand?“ fragte Old Death weiter.
„Derselbe.“
„Nun, so grüßt ihn von mir. Er kennt mich sehr wohl. Habe oft mit ihm nach der Scheibe geschossen und den Nagel mit einer Kugel durch das Schwarze getrieben. Könnt mir Euer Notizbuch geben, damit ich Euch einige Zeilen hineinschreibe, die Ihr ihm vorzeigen mögt! Ich kalkuliere, daß er sich ungemein freuen wird, daß einer seiner Untergebenen Old Death einen Spion nannte.“
Der Sergeant wußte in seiner Verlegenheit keinen Rat. Er schluckte und schluckte und stieß endlich mit sichtlicher Mühe hervor:
„Aber, Sir, ich kann Euch versichern, daß es wahrlich nicht so gemeint war! Bei unsereinem ist nicht alle Tage Feiertag. Man hat seinen Ärger, und da ist es kein Wunder, wenn einem einmal ein Ton ankommt, den man gar nicht beabsichtigt hat!“
„So, so! Nun, das klingt höflicher als vorher. Ich will also annehmen, daß unser Gespräch erst jetzt beginnt. Seid Ihr auf Fort Inge mit Zigarren versehen?“
„Nicht mehr. Der Tabak ist zu unser aller Bedauern ausgegangen.“
„Das ist sehr schlimm. Ein Soldat ohne Tabak ist ein halber Mensch. Mein Gefährte hat sich eine ganze Satteltasche voll Zigarren mitgenommen. Vielleicht gibt er Euch von seinem Vorrat mit.“
Des Sergeanten und der andern Augen richteten sich verlangend auf mich. Ich zog eine Handvoll Zigarren hervor und verteilte sie unter ihnen, gab ihnen auch Feuer. Als der Unteroffizier die ersten Züge getan hatte, breitete sich der Ausdruck hellen Entzückens über sein Gesicht. Er nickte mir dankend zu und sagte:
„So eine Zigarre ist die reine Friedenspfeife. Ich glaube, ich könnte dem ärgsten Feinde nicht mehr gram sein, wenn er mir hier in der Prärie und nachdem wir wochenlang nicht rauchen konnten, so ein Ding präsentierte.“
„Wenn bei Euch eine Zigarre mehr Kraft hat als die größte Feindschaft, so seid Ihr wenigstens kein ausgesprochener Bösewicht“, lachte Old Death.
„Nein, das bin ich freilich nicht. Aber, Sir, wir müssen weiter, und so wird es sich empfehlen, das zu fragen und zu sagen, was nötig ist. Habt Ihr vielleicht Indianer oder andere Fährten gesehen?“
Old Death verneinte und fügte hinzu, ob er denn der Meinung sei, daß es hier Indianer geben könne?
„Sehr! Und wir haben alle Ursache dazu, denn diese Schufte haben wieder einmal das Kriegsbeil ausgegraben.“
„Alle Wetter! Das wäre böse! Welche Stämme sind es?“
„Die Comanchen und Apachen.“
„Also die beiden gefährlichsten Völker! Und wir befinden uns so richtig zwischen ihren Gebieten. Wenn eine Schere zuklappt, so pflegt dasjenige, was sich dazwischen befindet, am schlechtesten wegzukommen.“
„Ja, nehmt Euch in acht. Wir haben schon alle Vorbereitungen getroffen und mehrere Boten nach Verstärkung und schleuniger Verproviantierung geschickt. Fast Tag und Nacht durchstreifen wir die Gegend in weitem Umkreise. Jeder uns Begegnende muß uns verdächtig sein, bis wir uns überzeugt haben, daß er kein Lump ist, weshalb Ihr mein voriges Verfahren entschuldigen werdet!“
„Das ist vergessen. Aber welchen Grund haben denn die Roten, gegeneinander loszuziehen?“
„Daran ist eben dieser verteufelte – Pardon, Sir! Vielleicht denkt Ihr anders von ihm als ich – dieser Präsident Juarez schuld. Ihr habt gewiß gehört, daß er ausreißen mußte, sogar bis El Paso herauf. Die Franzosen folgten ihm natürlich. Sie kamen bis nach Chihuahua und Cohahuela. Er mußte sich vor ihnen verstecken wie der Waschbär vor den Hunden. Sie hetzten ihn bis zum Rio Grande und hätten ihn noch weiter verfolgt und schließlich gefangengenommen, wenn unser Präsident in Washington nicht so albern gewesen wäre, es ihnen zu verbieten. Alles war gegen Juarez, alle hatten sich von ihm losgesagt; sogar die Indianer, zu denen er als eine geborne Rothaut doch gehört, mochten nichts von ihm wissen.“
„Auch die Apachen nicht?“
„Nein. Das heißt, sie waren weder gegen, noch für ihn. Sie nahmen überhaupt keine Partei und blieben ruhig in ihren Schlupfwinkeln. Das hatte ihnen
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