02 - Winnetou II
begreife ihn nicht.“
„Er war an dem Tage auf die Jagd geritten und kehrte erst abends heim.“
„Um nicht Zeuge der Verhandlung und des Verrates sein zu müssen! Ich kenne das! Wenn die Apachen erfahren, daß es den Comanchen erlaubt worden ist, das Fort zu verlassen, dann wehe jedem Weißen, der in ihre Hände gerät! Sie werden keinen verschonen.“
„Sir, ereifert Euch nicht allzusehr. Es ist auch für die Apachen gut gewesen, daß die Comanchen sich entfernen durften, weil sie eine Stunde später noch einen ihrer Häuptlinge verloren hätten, wenn die Comanchen nicht fort gewesen wären.“
Old Death machte eine Bewegung der Überraschung:
„Noch einen Häuptling, meint Ihr? Ah, ich errate! Vier Tage ist's her. Er hatte ein ausgezeichnetes Pferd und ist schneller geritten als wir. Er ist es gewesen, ganz gewiß er!“
„Wen meint Ihr denn?“ fragte der Sergeant überrascht.
„Winnetou.“
„Ja, der war es. Kaum waren die Comanchen nach Westen hin verschwunden, so sahen wir gegen Osten, vom Rio Frio her, einen Reiter auftauchen. Er kam in das Fort, um sich Pulver und Blei und Revolverpatronen zu kaufen. Er war nicht mit den Abzeichen eines Stammes versehen, und wir kannten ihn nicht. Während des Einkaufes erfuhr er, was geschehen war. Zufälligerweise befand sich der Offizier du jour dabei. An diesen wendete sich der Indianer.“
„Das ist höchst, höchst interessant“, rief Old Death gespannt. „Ich hätte dabeisein mögen. Was sagte er zu dem Offizier?“
„Nichts als die Worte: ‚Viele Weiße werden es büßen müssen, daß eine solche Tat bei euch geschah, ohne daß ihr sie verhütet habt oder sie wenigstens bestraftet!‘ Dann trat er heraus aus dem Magazine und stieg in den Sattel. Der Offizier war ihm gefolgt, um den herrlichen Rappen zu bewundern, welchen der Rote ritt, und dieser sagte ihm nun: ‚Ich will ehrlicher sein, als ihr es seid. Ich sage euch hiermit, daß vom heutigen Tage Kampf sein wird zwischen den Kriegern der Apachen und den Bleichgesichtern. Die Krieger der Apachen saßen in Frieden in ihren Zelten; da fielen die Comanchen heimtückisch über sie her, nahmen ihnen ihre Frauen, Kinder, Pferde und Zelte, töteten viele und führten die übrigen fort, um sie am Marterpfahl sterben zu lassen. Da hörten die weisen Väter der Apachen noch immer auf die mahnende Stimme des großen Geistes. Sie gruben nicht sofort das Kriegsbeil aus, sondern sandten ihre Boten zu euch, um hier bei euch mit den Comanchen zu verhandeln. Diese Boten aber wurden in eurer Gegenwart ebenfalls überfallen und getötet. Ihr habt den Mördern die Freiheit gegeben und damit bewiesen, daß ihr die Feinde der Apachen seid. Alles Blut, welches von heute an fließt, soll über euch kommen, aber nicht über uns!‘“
„Ja, ja, so ist er! Es ist, als ob ich ihn reden hörte!“ meinte Old Death. „Was antwortete der Offizier?“
„Er fragte ihn, wer er sei, und nun erst sagte der Rote, daß er Winnetou, der Häuptling der Apachen sei. Sofort rief der Offizier, man solle das Tor zuwerfen und den Roten gefangennehmen. Er hatte das Recht dazu, denn die Kriegserklärung war ausgesprochen, und Winnetou befand sich nicht in der Eigenschaft eines Parlamentärs bei uns. Aber dieser lachte laut auf, ritt einige von uns über den Haufen, den Offizier dazu, und wendete sich gar nicht nach dem Tor, sondern setzte, grad wie der andere Apache vorher, über die Umplankung. Sofort wurde ihm ein Trupp Leute nachgesandt, aber sie bekamen ihn nicht wieder zu sehen.“
„Da habt ihr es! Nun ist der Teufel los! Wehe dem Fort und der Besatzung desselben, wenn die Comanchen nicht siegen! Die Apachen werden keinen von euch leben lassen. Besuch habt ihr nicht gehabt?“
„Nur ein einziges Mal, vorgestern gegen Abend, ein einzelner Reiter, welcher nach Sabinal wollte. Er nannte sich Clinton, das weiß ich ganz genau, denn ich hatte grad die Torwache, als er kam.“
„Clinton! Hm! Ich will Euch einmal diesen Mann beschreiben. Schaut zu, ob er es ist!“
Er beschrieb Gibson, welcher sich ja bereits vorher den falschen Namen Clinton beigelegt hatte, und der Sergeant sagte, daß die Beschreibung ganz genau stimme. Zum Überfluß zeigte ich ihm die Photographie, in welcher er das zweifellose Bild des betreffenden Mannes erkannte.
„Da habt Ihr Euch belügen lassen“, meinte Old Death. „Der Mann hat keineswegs nach Sabinal gewollt, sondern er kam zu Euch, um zu erfahren, wie es bei Euch stehe. Er gehört zu dem
Weitere Kostenlose Bücher