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02 Winter am Ende der Welt

02 Winter am Ende der Welt

Titel: 02 Winter am Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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unbeschwert. Ich habe euch beneidet. Du kennst ja Jorges Vater. Da musste immer alles korrekt sein. Jederzeit. Was habe ich euch beide beneidet!“
    „Wirklich?“, sage ich ungläubig.
    „Wir hatten damals doch gar keine Wahl“, sagt Maria Teresa. „Man machte, was die anderen von einem erwarteten und das war´s. Da hatte eure Generation es wirklich viel besser.“
    „Ich finde hundertfünfundfünfzig Kilometer trampen ist ein guter Anfang“, sage ich.
    „Ich war übrigens dagegen“, sagt Joana. „Ich wollte, dass wir einen Leihwagen nehmen.“
    „Ich bin Anfang achtzig“, sagt meine Schwiegermutter. „Wie viele Reisen kann ich in meinem Alter wohl noch machen? Das wird meine letzte große Reise sein. Die vielen Stunden im Flugzeug, das lange Sitzen, da ist man ja hinterher ganz steif. Noch so eine Reise machen meine alten Knochen nicht mehr mit. Und da wollte ich doch wenigstens einmal in meinem Leben trampen.“
    „Und dann gleich mit einem Gemüselaster“, sage ich.
    Meine Schwiegermutter lächelt verschmitzt, öffnet ihre Handtasche und wühlt ein bisschen drin rum. Dann zieht sie eine Puderdose raus und pudert sich die Nase.
    „Ich bin sehr froh, dass wir das gemacht haben“, sagt sie. „Sehr froh. Da fühlt man sich doch gleich zehn Jahre jünger, nicht wahr.“
    Sie steckt die Puderdose wieder in ihre Handtasche und sieht sich in der Wohnung um. Ich seufze wieder und stähle mich innerlich für das, was jetzt kommt. Wahrscheinlich wird sie sagen, ich bin selber schuld, dass Jorge sein Glück außer Haus sucht, wenn es bei mir so aussieht, wie es bei mir zu Hause aussieht.
    „Gemütlich hast du´s hier“, sagt Maria Teresa stattdessen. „Meinst du, wir könnten noch einen Tee kriegen? Vielleicht mit Schuss? Wenn wir schon keine ordentlichen Kekse haben. Nichts gegen diese Haferkekse, die sind schon lecker, aber du weißt, was ich meine.“
    Ich mache also noch einen Tee und suche Flaschen mit Alkohol in den Regalen. Ich finde eine halbe Flasche Macieira (die müssen Jan und Anna aus Portugal mitgebracht haben), eine kleine Flasche Rum und eine große Flasche schönen alten Whiskey. Und eine Flasche Portwein, sogar einen LBV, auch nicht schlecht. Im Laufe des Abends verändert sich irgendwie automatisch die Zusammensetzung von Tee und Alkohol. Schon weil der Tee irgendwann fast alle ist und wir ein bisschen damit sparen müssen, weil keiner Lust hat in die Küche zu gehen und Wasser aufzusetzen. Schließlich trinken wir den Portwein pur und dann sind alle Flaschen alle. Zum Tee hören wir Joanas Geschichte.
    Sie ist in der Tat die Tochter von dieser bebrillten Studentin namens Joana, die damals bei uns vor der Tür stand. Nach dem Besuch bei uns hat Joana-Mutter das Studium abgebrochen und ist nach New York gegangen. Dort hat sie nach wenigen Tagen einen erfolgreichen Juwelier kennengelernt und geheiratet, und so gesehen hatte die ganze Geschichte doch eine Art Happy End.
    Der Juwelier ist Mutter Joana ein guter Ehemann gewesen und Tochter Joana ein guter Vater. Für ihn war Mutter Joana die Liebe seines Lebens. Vor fünf Jahren ist die Mutter an Krebs gestorben und hat Joana noch kurz vor ihrem Tod erzählt, dass der Juwelier gar nicht ihr richtiger Vater ist, und dass der richtige Vater in Lissabon wohnt. Nach dem Tod der Mutter hat sich Joana also auf den Weg nach Lissabon gemacht, und weil sie erst fünfzehn war, hat sie der Juwelier-Vater (der immer wusste, dass sie nicht seine biologische Tochter ist) sogar begleitet, und sie haben sich zusammen auf die Suche nach diesem Jorge Monteiro gemacht. Man sieht: dieser Juwelier-Vater ist ein richtig guter Vater, der für seine Kleine alles tut. Und die Kette am Hals ist nicht aus Silber, sondern aus Platin und ein Weihnachtsgeschenk vom Vater (vom Juwelier-Vater).
    Sie haben Jorge gefunden und weil es Joana wichtig war, ihren wirklichen Vater besser kennenzulernen, haben sie und Jorge Kontakt gehalten. Sie haben gemailt und telefoniert, und einmal im Jahr ist Joana nach Lissabon gekommen und hat dort bei Catarina gewohnt (das Ganze nimmt das Ausmaß einer Verschwörung an, alle haben es gewusst, außer mir). Und einmal im Jahr ist Jorge nach New York geflogen.
    Einmal im Jahr ist Jorge nach New York geflogen?
    Das trifft mich jetzt wirklich. Aber so richtig. New York ist die Stadt, in die ich immer mal wollte. New York ist meine Traumreise. Von New York träume ich seit Jahren. Ich würde gerne die ganzen Orte aufsuchen, die man aus den

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