020 - A.S. der Unsichtbare
aufzusuchen.
Andy überließ einem Detektiv die Büroräume Albert Selims zur Beobachtung und Bewachung und fuhr nach Beverley Green zurück.
Würde Scottie etwas wissen - Scottie, der doch die Unterwelt Londons kannte? Andy nahm sich vor, ihn zu fragen. Er hatte ihn schon häufig zu Rate gezogen, seitdem er bei Nelson wohnte und dadurch immer einen Vorwand gehabt, das Haus betreten zu können.
Er fand den ehrenwerten Scottie damit beschäftigt, Stella in die Geheimnisse des Kartenspiels einzuweihen. Mr. Nelson war im Klub.
»Selim? Albert Selim?« fragte Scottie. »Ja, ich habe von ihm gehört, er ist Geldverleiher und, soviel ich weiß, ein ganz gefährlicher Gauner.«
Andy bemerkte, daß sich Stellas Gesichtszüge verfinsterten.
»Ich habe noch niemand getroffen, der ihn persönlich kannte, aber ich bin vielen Leuten begegnet, die Geld von ihm geliehen hatten.«
»War er ein Wucherer, der die Leute, die nicht zahlen konnten, bedrohte?«
»Bedrohte?« rief Scottie verächtlich. »Es gibt nichts, was Selim nicht getan hätte! Ein Freund von mir - ich wollte sagen, ein Mann, von dem ich gehört habe - Harry Hopson, hat ihn mit einer Summe von zweihundert Pfund hereingelegt. Harry wurde kurz darauf zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt - ich will nicht behaupten, daß Harry die Strafe nicht verdient hätte, aber Selim brachte eine schlau eingefädelte Anklage gegen ihn vor wegen einer alten Geschichte, die Harry längst vergessen hatte. Auf alle Fälle hat er seine zehn Jahre abbekommen.«
Wenn Merrivan wirklich in so großer finanzieller Verlegenheit war, daß er sich von Selim Geld lieh, so mußten seine Schulden schon sehr hoch sein. Aber dem widersprachen andere Tatsachen. In den Geschäften war bis zum Sonnabend alles bezahlt, auf der Bank hatte Merrivan mehrere tausend Pfund, und auch sonst konnte man keinen Anhaltspunkt dafür finden, daß er in Geldschwierigkeiten gewesen war. Wieviel Vermögen er besaß, konnte man erst sagen, wenn die Bücherrevisoren ihre Arbeit beendet hatten. Man hatte auch keine Briefschaften gefunden, denen man hätte entnehmen können, daß er Schulden bei diesem geheimnisvollen Albert Selim hatte.
Ein Punkt war jedenfalls aufgeklärt worden - die ungewöhnlichen Schuhe, die Merrivan trug, als er starb. Er pflegte nächtliche Besuche zu machen. Aber warum zog er diese schweren Stiefel an, die doch einen höllischen Lärm machen mußten, wenn er über einen geschotterten Weg oder über einen Fußboden ging. Sicher wären Gummischuhe für diese Art von Abenteuern geeigneter gewesen. Andy überlegte sich das alles, als er zu Merrivans Haus hinüberging.
Zwei Tage lang war der Garten von Reportern belagert gewesen. Aber jetzt war auch der letzte Journalist wieder gegangen.
Andy hatte sich vorgenommen, das ganze Haus genau zu durchsuchen. Bis jetzt hatten sich seine Nachforschungen nur auf das Arbeitszimmer beschränkt, und er hatte sich damit begnügt, einen oberflächlichen Blick in die anderen Räume zu werfen.
Die Durchsuchung sollte hauptsächlich auf Mr. Merrivans Schlafzimmer konzentriert werden. Es lag im ersten Geschoß nach der Straße zu, war groß, luftig und nur mit den nötigsten Möbeln ausgestattet. Eine Tür führte von hier aus in den Ankleideraum, eine andere ins Bad. Mr. Merrivan hatte alles möglichst bequem einrichten lassen. Besonders das Badezimmer war mit außerordentlichem Luxus ausgestattet, die Wände waren mit Marmor verkleidet. Im Schlafzimmer standen ein großes Bett, ein Nachttisch und ein geräumiger Schrank. Der Fußboden war zum Teil von einem viereckigen, weichen, grauen Teppich bedeckt. Außerdem waren noch eine Kommode mit großem Spiegel, ein kleinerer Tisch, ein niedriger, bequemer Sessel und zwei Stühle vorhanden.
Andy schenkte diesmal dem Bett etwas mehr Beachtung. Es war ein solides Möbelstück, Kopf und Fußende waren verhältnismäßig stark. Er klopfte das Kopfende ab, aber es war aus massivem Holz. Die Fußwand war auf der Innenseite sehr schön geschnitzt. Außen war sie fast ganz glatt, nur zwei Wappen waren darauf angebracht, die von einer heraldischen Rose gekrönt waren. Er wandte die Matratzen um, klopfte eine halbe Stunde lang die Zimmerwände ab und prüfte die übrigen Möbel.
Er war erstaunt, daß er keine weiteren Hinweise auf Albert Selim entdecken konnte. Man hatte kein einziges Schriftstück gefunden, das eine Erklärung für den Drohbrief gegeben hätte, den man bei dem Toten gefunden hatte. Albert Selim selbst
Weitere Kostenlose Bücher