020 - A.S. der Unsichtbare
Ihnen auch von der merkwürdigen Dame erzählt?« fragte sie ihn interessiert. »Scottie hatte eine lange Unterredung mit ihr. Ihr Auto hat zwei Fliederbüsche vollständig umgefahren. Der große Wagen wollte in der engen Straße wenden!«
»Was war denn das für eine merkwürdige Dame? Hat sie Beverley Green besucht?«
Stella nickte.
»Ich sah sie durchs Fenster. Es gibt nur eine Beschreibung für sie sie glitzerte! Ich hatte leider noch keine Gelegenheit, Scottie über sie auszufragen.«
Sie gingen langsam weiter - Andy wußte nicht, welchen Weg sie eingeschlagen hatten. Ihm wurde nur so viel klar, daß sie zu den Grenzhecken von Beverley Hall kamen. Er war in einer ganz anderen Welt unendlich glücklich. Anziehend - hübsch schön? Er hatte sich diese Frage schon einmal beantwortet. Er betrachtete Stella von der Seite. Ihr Profil war vollkommen, ihre Haut schimmerte in dem wenig schmeichelhaften, hellen Sonnenlicht ebenso zart wie in der Abendbeleuchtung.
»Artur Wilmot hat mich heute geschnitten«, sagte sie.
»Aber warum denn? Ich dachte doch - ich hatte gehört «
Er vollendete den Satz nicht.
»Daß ich mit ihm verlobt sei?« sagte sie leise lachend. »Die Leute von Beverley verloben einen sehr leicht. Ich war nie mit ihm verlobt. Ich trug wohl früher einen Ring, weil - nun, weil er mir gefiel. Mein Vater hat ihn mir früher einmal geschenkt.«
Er seufzte erleichtert auf, sie hörte es und sah ihn schnell von der Seite an. Aber dann schaute sie rasch wieder fort.
»Was ist eigentlich der Beruf Artur Wilmots?«
»Ich weiß es nicht. Er hat immer in London zu tun. Über seine Geschäfte spricht er nie, und niemand weiß etwas davon. Das ist merkwürdig, denn die meisten jungen Leute erzählen sehr gern von ihrem Beruf - wenigstens die ich kenne. Sie sind stolz auf die eigene Tüchtigkeit und wissen eigentlich sonst nicht viel zu reden. Aber Sie habe ich noch nie über ihre Tüchtigkeit sprechen hören, Doktor Andrew.« »Ich glaubte, daß ich schon außerordentlich gesprächig gewesen wäre - Miss Nelson.«
»Nun seien Sie doch nicht komisch - Sie haben mich schon Stella genannt und ein dummes Kind, als Sie neulich morgens kamen. Ist es nicht wunderschön?«
»Ich bin damals wohl sehr kühn gewesen«, gab er kleinlaut zu.
»Ich meinte, daß wir uns kennengelernt haben und daß ich Sie gerne mag. Im allgemeinen kann ich mich nämlich nur schwer an einen Menschen gewöhnen. Vielleicht war es auch eine Reaktion. Ich habe Sie so sehr gehaßt, weil ich mich immer schuldig fühlte, wenn Sie mich ansahen. Ich dachte immer, Sie müßten schrecklich sein, ein Bluthund, der arme, unglückliche Menschen hetzt.«
»Wahrscheinlich haben alle Leute diese Vorstellung von Polizeibeamten. Und wir schmeicheln uns mit dem Gedanken, daß der Anblick einer Polizeiuniform jeden guten Bürger erfreut.«
»Ich bin kein guter Bürger. Im Gegenteil, ein sehr schlechter Sie wissen gar nicht, wie schlecht ich bin.«
»Ich kann es vermuten.«
Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her.
»Stella«, sagte er dann plötzlich, »hat Merrivan bei Ihrem letzten Zusammensein mit ihm irgendwelche Andeutungen über die Zukunft gemacht - wo er leben würde?«
»In Italien«, sagte sie. »Er erzählte mir, daß er viel Geld bekommen würde, und daß er einen herrlichen Palast am Com er See gekauft habe.«
»Hat er Ihnen nicht mitgeteilt, ob er das Geld bereits erhalten habe?«
»Nein, ich kann mich erinnern, daß er sagte, er werde es bekommen. Ich hatte den Eindruck, daß er es von irgendeiner Seite erhalten würde. Aber wir wollen bitte nicht mehr über diese Sache sprechen.«
Von wem erwartete Merrivan das Geld? Doch nicht von Albert Selim? Oder hatte er vielleicht die Summe schon erhalten und versteckt? Möglicherweise hatte der Wucherer entdeckt, daß Merrivan ins Ausland gehen wollte, und versucht, das Geld wieder zurückzubekommen. Selim klagte sein Geld nie vor Gericht ein - das war auch ein sonderbarer Umstand. Er verlieh offenbar nur Geld, wenn er sein Opfer irgendwie in der Hand hatte.
Als sie an eine steile Stelle kamen, nahm er Stellas Hand, um sie zu stützen, aber er ließ sie nicht los, als der Weg wieder eben wurde. Sie zog die Hand auch nicht fort. Sie war glücklich in seiner Gegenwart.
Die Berührung dieser starken Hand, die die ihre so behutsam hielt, war wohltuend. Etwas von seiner Kraft und Ruhe war auf sie übergegangen, als er sie damals an den Schultern gepackt hatte.
»Sie sind sehr ernst
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