0203 - Blizzard über New York
wenigstens zwanzig Männer mit Ehrgefühl seih, die sich nicht mehr im Spiegel betrachten konnten, wenn sie das unverschämte Vorgehen der Gangster tatenlos durchgehen ließen. Er, Oberst Eastman, wollte sich notfalls opfern. Aber das Signal zur Rebellion musste er geben. Die anderen würden schon mitgerissen werden.
Als die beiden Gangster seinen Tisch abgeräumt hatten und ihm, mit dem nächsten Tisch beschäftigt, den Rücken zuwandten, griff er mit beiden Händen in den neben ihm stehenden Sektkübel und packte zwei volle Champagnerflaschen wie Schlagkeulen. Er peilte, die Distanz war gerade recht. Es sollte keine Schwierigkeit sein, beide Verbrecher zusammen niederzuschmettern.
Er sprang auf, holte beidarmig aus…
Zwei Schüsse krachten kurz hintereinander aus der Dunkelheit hinter den Scheinwerfern. Beide Flaschen zerplatzten in den erhobenen Händen. Glassplitter spritzten umher, Champagner floss in die Ärmel von Eastmans Smoking.
Für Bruchteile von Sekunden erstarrte der Oberst. Beileibe nicht vor Schreck, er hatte Kugeln schon viel dichter vorbeipfeifen hören, sondern vor Verblüffung. Der Gangster musste ein erstklassiger Schütze sein. Dann schleuderte der Oberst die gezackten Flaschenhälse wütend auf den Boden.
Der untersetzte Bursche, offensichtlich der Anführer der Gang, hatte sich im Abräumen des Tisches nicht stören lassen. Nun wandte er nur den Kopf zurück und sagte schneidend scharf:
»Was ich noch sagen wollte: Dies war die letzte Warnung! Sogar ein Idiot hätte sich denken können, dass wir beide nicht allein hergekommen sind: Bei der nächsten verdächtigen Bewegung wird sofort in die Menge geschossen! Ist das klar, Ken?«
»Das ist klar, Boss!«, tönte es entschlossen aus der Finsternis zurück.
Der Oberst ließ sich resigniert in den Sessel fallen. Er strich über seinen Schnurrbart und fauchte: »Ihr Banditen, diese Sache kostet euch den Kopf! Und glaubt nur nicht, dass ihr entkommen könnt. Das FBI wird euch hetzen bis ans Ende der Welt. Dazu kommt noch eine gnadenlose Jagd durch die Polizei aller Länder, deren Vertreter hier im Empire Room ein Opfer eures Überfalls geworden sind! Ihr lebt nicht mal mehr so lange, um ein Zehntel der jetzt geraubten Werte auszugeben.«
»Machen sie sich um unser Schicksal nur keine Sorgen, Mister!«, erwiderte der Gangsterboss zynisch. »Wenn’s Ihnen immer so gut geht wie uns, können Sie zufrieden sein.«
In knapp fünf Minuten hatten die beiden Gangster Schmuck und Geld von sämtlichen Tischen in einen Sack gefegt.
»53 284 Dollar in bar und 60 500 Dollar in Reiseschecks«, zog der Gangster-Chef eine Zwischenbilanz. Später stellte sich heraus, dass er sich nicht verzählt hatte.
Die beiden Männer zogen sich wieder hinter die Scheinwerfer in das Dunkel zurück. Der Ganoven-Chef hörte sich wohl gerne reden, denn nun begann er zu prahlen: »Übrigens, was ich noch sagen wollte: Wir werden ohne jede Schwierigkeit entkommen, da die Natur, genauer gesagt, das Wetter, sich mit uns verbündet hat. Wer weiß, wann das Telefon wieder intakt ist, und ihr uns die Polizei auf den Hals hetzen könnt? Und selbst dann, was nützt es? Was ist in New York die Polizei zu Fuß wert? Nichts, überhaupt nichts! Womit will man uns denn verfolgen, wenn nicht mit Fahrzeugen? Haha, in dem Schneesturm können wir bis auf einen Yard Distanz an den Polizisten vorbeimarschieren, ohne dass sie uns sehen, geschweige denn erkennen. Von einer planmäßigen Fahndung kann gar keine Rede sein, da eine…«
Unermüdlich quasselte der Gangster in dieser aufreizenden Tonart weiter. Oberst Eastman konnte, ungeachtet seiner schlechten Erfahrungen, dieses herausfordernde Geschwätz nicht mehr mitanhören. In seinem Kopf gab es eine Art Kurzschluss, sämtliche vernünftigen Überlegungen brannten durch.
Er fuhr hoch, war mit einem Sprung an der Bar, nahm dem toten Detektiv die Pistole aus der erstarrten Hand und schoss, völlig außer sich, auf die Stimme aus dem Dunkel.
Schuss auf Schuss krachte. Eastman leerte das ganze Magazin der Waffe, aber der Gangster redete unbeeindruckt weiter. Das brachte den Oberst um den letzten Rest seines gesunden Menschenverstandes.
Blindlings, wie ein Stier auf das rote Tuch, stürmte er los, rannte Stühle um, fegte Leute, die ihn in seinem wahnwitzigen Lauf aufhalten wollten, zur Seite.
Viele Damen und auch einige der Männer schlugen die Hände vors Gesicht, um diesen erneuten Mord nicht auch noch mitansehen zu müssen. Die
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