0203 - Blizzard über New York
nicht wenige Leute sagen, dass es den reichen Leuten ganz recht geschieht, wenn sie etwas erleichtert werden. Der Hinweis auf die beiden erschossenen Familienväter hingegen treibt jeden anständigen Amerikaner auf die Barrikaden!«
»Mit Recht!«, knurrte Phil.
Dann verzog er das Gesicht: »Ich sehe schon, was jetzt kommt. Wir werden mit Tausenden von wert- und sinnlosen Hinweisen überschwemmt werden. Für gewisse Leute wieder mal eine günstige Gelegenheit, unliebsamen Nachbarn oder sonstigen Mitmenschen eins auszuwischen. Wir kennen das ja zur Genüge. Zudem befürchte ich, dass unser Mann völlig im Hintergrund bleibt. Er scheint mir nicht so dumm zu sein, um nicht zu wissen, wie gefährlich diese beiden Indizien für ihn sind.«
Ich schüttelte den Kopf.
»Das nützt ihm doch gar nichts. Diese beiden verräterischen Eigenschaften, also Stimme und Begabung, hat er ja nicht erst seit gestern. Gerade deshalb wundert es mich, dass er diese Fehler gemacht hat, und zwar ganz unnötig. Er hätte weder das Geld zu zählen, noch das Theater mit dem Tonband aufzuführen brauchen. Die Verfolgung setzte dadurch wohl einige Minuten später ein, weil jedermann im Empire Roorn die Gangster noch für anwesend hielt. Aber bei der gegenwärtigen Wetterlage wären die Gangster so oder so entkommen. Mir scheint, der Gangster-Boss ist etwas eitel. Unsere alte Erfahrung bestätigt sich eben immer wieder. Die Planung eines Verbrechens kann noch so genial sein, vollkommen ist sie niemals!«
»Gott sei Dank!«, schnaufte der Chef. Dann wandte er sich an Phil: »Sobald die Kopie des Tonbands fertig ist, versuchen Sie, sich zum Rockefeiler Center durchzuschlagen. Der Rundfunk soll unsere Durchsage alle dreißig Minuten ausstrahlen.«
Phil sah den Chef entgeistert an.
»Chef«, stöhnte er, »wissen Sie auch, dass sich das Studio der Radio Corporation of America im dreiundfünfzigsten Stockwerk befindet? Angenommen, das RCA Building ist auch ohne Strom, und die Lifts verkehren nicht…«
»Dann kann der Rundfunk auch keine Sendungen ausstrahlen, und du kannst dir mit dem Treppensteigen Zeit lassen«, stichelte ich gutmütig.
Phil verstaute das Tonband in seiner Aktentasche, heizte sich nochmals mit einem kräftigen Schluck Whisky ein, schlug den Mantelkragen hoch, drückte den Hut ins Gesicht, nahm eine Taschenlampe und machte sich auf den Weg, erst zum Labor und dann durch den Schneesturm zum Rundfunkgebäude im Rockefeller Center.
***
Mr. High telefonierte mit dem Chef der City Police und erkundigte sich nach der Lage an der Schneefront.
Die Auskunft war nicht sehr ermutigend. Laut Wetterwarte würde der Blizzard vor zwölf Stunden nicht wesentlich nachlassen. Dann stünden jedoch 16 000 Straßenreiniger und mehr als 2000 Schneepflüge bereit, um die Straßen freizuräumen. Vorsorglich habe der Bürgermeister ein allgemeines Fahrverbot für Privatautos erlassen. Dessen ungeachtet würden jetzt schon die Ausfallstraßen, die Bahnhöfe und die Häfen so gut wie möglich überwacht, jedoch sei der Erfolg dieser Aktion zumindest zweifelhaft, solange die Beamten keine Beschreibung der Gangster in Händen hätten. Mr. High kündigte an, dass dies wohl in absehbarer Zeit nachgeholt werden könne, und legte auf.
Gleich darauf klopfte es an die Tür. Ein Bote brachte den Laborbefund.
An den Scheinwerfern und an dem Tonbandgerät konnten keine Fingerabdrücke festgestellt werden. Die Patronenhülsen stammten aus einem älteren Heeresmodell einer Maschinenpistole.
Eine Kopie des Tonbandes war durch, einen Boten an Professor Gardner, einen Sprachwissenschaftler der Fordham University, zur Auswertung überbracht worden.
Der Bote hatte die Anweisung, den Professor notfalls aus dem Bett zu trommeln.
Professor Gardner hatte dem FBI schon mal einen großen Dienst erwiesen, indem er einen Erpresser anhand der Tonbandaufnahmen von dem Telefongespräch, das dieser mit dem Erpressten führte, so genau beschrieben, dass der Verbrecher, übrigens ein über jeden Verdacht erhabener Hausfreund der Familie, sofort identifiziert werden konnte.
»Und jetzt?«, fragte ich den Chef und schielte auf die Uhr: zwei Uhr dreißig.
»Legen Sie sich aufs Ohr, Jerry«, riet er mir. »Das ist im Augenblick das Beste, was Sie tun können. Morgen, oder vielmehr heute gibt es für Sie bestimmt eine Menge zu tun. Ich fürchte, Sie werden dann nicht mehr so schnell Zeit zum Ausruhen finden.«
Im Schein der Taschenlampe tappte ich durch die Gänge zum
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