0204 - Horror-Rock
direkt leicht vor. Allerdings nur im Anfang, denn je länger wir mit dieser Arbeit beschäftigt waren, um so mehr ging sie in die Arme.
Wir gaben nicht auf. Vor allen Dingen Suko bewies in diesen schrecklich langen Minuten, welch eine Kraft in seinem Körper steckte. Manchmal hatte ich das Gefühl, als würden die Muskeln den Stoff seiner Jacke sprengen, so stark traten sie hervor.
Das unheimliche Verlies war erfüllt von meinem Keuchen. Die beiden Lampen gaben nur wenig Licht. Schatten herrschte vor. Unsere Gesichter glänzten schweißnaß, ich hatte mir die Haut an meinen Innenhänden an dem rauhen Seil schon aufgerissen. Aus einigen Blasen sickerte Blut und eine blasse Flüssigkeit, doch schlappmachen würde ich nicht, obwohl ich meine Armmuskeln schon nicht mehr spürte.
Am Ende des Seils hing etwas. Ein schweres Gewicht. Ob es ein Mensch war, konnte keiner von uns sagen. Wenn es tatsächlich so sein sollte, wer gab uns dann die Gewähr, daß dieser Mensch noch lebte.
Die Winde ächzte und quietschte. Auch drückte sich der Mittelbalken durch, sä daß man befürchten mußte, er würde brechen. Auf der Winde wickelte sich das Seil auf. Es war immer dicker geworden, Herrgott, wie lange mußten wir denn noch ziehen?
»Leuchte mal«, keuchte Suko. Auch er war jetzt ein wenig außer Atem geraten. »Ich halte solange fest.«
Als ich die Hände vom Seil löste, spürte ich die Arme kaum noch. Auch die Finger konnte ich so gut wie nicht bewegen, sie schienen in gekrümmter Haltung eingefroren zu sein. Ich hatte großes Glück, daß mir die kleine Bleistiftlampe nicht aus der Hand rutschte und irgendwo im Brunnen verschwand.
Der Strahl in die Tiefe, und er traf auf ein Ziel.
Es war ein Mensch!
Ich ließ das Licht weiterwandern und glaubte, das lange blonde Haar zu sehen.
Jane Collins!
»Mein Gott!« flüsterte ich. »Sie ist es. Suko, da unten ist Jane!« Ich mußte meinen Partner wohl mit einem etwas irren Blick angeschaut haben, denn er fuhr mich an.
»Zieh weiter, verdammt!«
Ja, Freunde, ich zog. Und wie ich mich einsetzte. Mein Gesicht war verzerrt, die Unterlippen bluteten, ich hatte darauf gebissen, und jetzt waren es nur noch wenige Meter, dann würden wir Jane in die Arme schließen können.
Lebend?
Das war unsere große Sorge.
Ich zitterte und bebte, hoffte, mein Herz schlug schneller, und wir zogen unverdrossen weiter.
Wann würden wir endlich etwas sehen?
Zuerst erschien der Kopf. Das lange Haar war zerwühlt, verklebt, verfilzt und grau von Staub. Spinnweben hingen darin, und es sah so aus, als würde Jane nicht mehr leben, denn wir hörten ihren Atem nicht.
»Mach weiter, John!« fuhr Suko mich an, als er bemerkte, daß ich stockte.
»Ja, ja, natürlich.« Ich zog nach einmal. Dann packte Suko zu. Seine Arme fuhren unter die Achselhöhlen der Detektivin. Er löste dort das verdammte Seil, hielt Jane eisern fest und zog sie zur Seite über den Rand des Brunnens hinweg reichte er sie mir entgegen.
Jane hielt die Augen geschlossen. Es sah aus, als wäre sie tot.
Sekundenlang fuhr ein schreckliches Gefühl durch mein Inneres, bevor ich die Detektivin sanft zu Boden gleiten ließ.
Ich hatte mein Jackett ausgezogen und legte es Jane unter den Kopf.
Bleich war ihr Gesicht. Bleich und schmutzig zur gleichen Zeit. Ich fühlte sofort nach dem Puls.
Er schlug.
Himmel, er schlug! Jane Collins war nicht tot. Wir hatten sie noch retten können. Aber es hätte nicht viel gefehlt, denn das Schlagen des Pulses war ziemlich flatterhaft.
»Suko!« flüsterte ich. »Suko, sie lebt. Stell dir das vor. Wir haben es geschafft.«
»Okay, du Ritter.«
»Wieso?«
»Mit deinem Schwert an der Seite siehst du wie ein Ritter aus, John..«
Suko grinste. Auch auf seinem Gesicht lag die Erleichterung.
»Wir müssen sie rausschaffen. Die Luft hier kann sie kaum noch atmen.«
Mein Freund hatte verstanden. Er drückte mich zur Seite und hob die Detektivin hoch. Sacht nahm er sie auf seine Arme. Ich hob meine Jacke wieder auf und streifte sie über, während ich Suko nachblickte, der die Stufen der Stiege hochkletterte.
Er zog den Kopf ein, als er durch die offene Falltür verschwand. Ich ging noch einmal bis an den Brunnenrand, hob unsere kleinen Lampen auf und schaute in den Schacht.
Dort hatte sich etwas verändert.
Tief unten entfernungsmäßig nicht einmal zu schätzen sah ich ein hellgrünes Flimmern. Auch glaubte ich, Umrisse und Konturen eines Bildes zu erkennen, das eine Landschaft zeigte.
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