0207 - Der Mann, der nicht sterben konnte
auch.«
»Kennen Sie ihn, John?«
Ich strich Konfitüre auf das Croissant. »Nein, ich habe ihn noch nie gesehen.«
»Er scheint aber doch interessant zu sein, sonst hätten Sie sich mit seinem Anblick nicht so lange beschäftigt«, stellte die Horror-Oma fest.
Ich hob beide Arme. »Sie denken wieder an einen Fall, nicht wahr?«
»Ist doch möglich.«
»Nein, um Himmels willen. Drei Tage lang sollen mich die anderen in Ruhe lassen. Ich bin privat hier und werde es auch bleiben.«
»Jetzt kommt er näher.« Lady Sarah schien mir überhaupt nicht zugehört zu haben, sie sah nur den Mann mit der Pelzmütze.
Ich nahm einen Schluck Kaffee. Er war stärker als der, den Glenda kochte. Dafür schmeckte er mir nicht so gut wie der aus meinem Büro. »Und?«
»Jetzt bleibt er wieder stehen.«
Ich schaute auf und ärgerte mich schon, daß ich etwas zu Lady Sarah gesagt hatte. Sie witterte wieder einen großen Kriminalfall, wenn nicht noch mehr.
Auch der Chauffeur war auf den Mann aufmerksam geworden.
Er saß zwar hinter getönten Scheiben, doch wir konnten erkennen, wie er die Zeitung zusammenfaltete und weglegte.
»Gleich muß etwas passieren!« flüsterte Lady Sarah.
Ich wollte ihr den Glauben nicht nehmen und schwieg. Seltsam war es allerdings schon. Da stand der Knabe mit seiner Pelzmütze und starrte nur auf den Rolls und dessen Fahrer. Das mußte etwas zu bedeuten haben. Vielleicht war er ein Autonarr und interessierte sich besonders für diesen Prunkschlitten.
Dem Chauffeur wurde es zuviel.
»Jetzt steigt er aus«, kommentierte Lady Sarah, weil ich im Moment nicht hinschaute.
Durch ihre Worte allerdings sah ich mich genötigt, abermals einen Blick nach draußen zu werfen.
Der Chauffeur wollte tatsächlich aussteigen und beugte sich nach rechts, um die Fahrertür zu öffnen.
Da geschah es.
Und es war so schrecklich, schlimm und grauenhaft, daß sich mein Verstand fast weigerte, es zu erfassen…
***
Es begann harmlos. Der Chauffeur blieb mitten in der Bewegung stehen. Das heißt, er erstarrte. Noch hatte er die Tür nicht geöffnet, und er kam auch nicht mehr dazu, denn im Innern des Wagens begann für ihn eine Hölle.
Mit den Armen schlug er plötzlich um sich. Sein Gesicht wurde zu einer Fratze, durch die Scheibe sah ich es nur verschwommen, und im nächsten Augenblick riß ihn eine ungeheure Kraft vom Sitz.
So stark und so mächtig, daß er nichts dagegen unternehmen konnte. Das war noch nicht alles. Das Dach des Rolls platzte über dem Fahrersitz wie eine reife Frucht auseinander, Metallteile flogen seitlich weg, ein zackiges Loch entstand, und durch dieses Loch raste der Fahrer wie eine Rakete in die Höhe.
Er schrie, und wir hörten seine Schreie selbst durch die Scheibe, die plötzlich zerbarst, weil ein Metallsplitter sie getroffen hatte und wir von einem Scherbenregen übergossen wurden.
Ich riß Lady Sarah vom Stuhl, suchte selbst Deckung, und die anderen Gäste sprangen schreiend auf. Tische und Stühle fielen um, Geschirr zerschellte am Boden, die Gäste drängten dem Ausgang entgegen, denn jeder dachte wohl an eine explodierende Bombe und wollte der Hölle entfliehen.
Was um mich herum geschah, nahm ich kaum wahr, ich konzentrierte mich auf den Chauffeur.
Er jagte hoch in die Luft. Seine Arme und Beine waren gespreizt, und dann drehte er zur Straße hin ab, schlug einen kleinen Bogen und jagte mit der gleichen Geschwindigkeit wieder nach unten.
Nur mit dem Kopf zuerst.
Ich hatte die Hände geballt und schloß die Augen, weil ich es nicht mit ansehen konnte.
Autofahrer wurden überrascht, bremsten, Reifen kreischten wild und grell. Einige Fahrer wurden überrascht und fuhren auf die Wagen ihrer Vorderleute.
Ich öffnete die Augen wieder und sah den Chauffeur auf der Straße zwischen den Autos verschwinden.
Meiner Ansicht nach konnte er nicht überlebt haben.
Ich mußte hier raus.
Als ich sah, daß Lady Sarah nichts geschehen war, sprang ich hoch und nahm nicht den Weg zum Ausgang, sondern sprang kurzerhand durch die zerborstene Scheibe. Auf dem Gehsteig wäre ich fast auf den Scherben ausgerutscht und konnte mich nur am Rolls abstützen.
Im Nu hatte sich eine gewaltige Menschenmenge versammelt.
Nicht nur vor dem Café, auch auf der Straße standen sie. Der Verkehr war völlig zusammengebrochen.
Die Trillerpfeifen der Bobbies übertönten die Stimmen. Man schrie nach der Polizei und einem Krankenwagen, ich allerdings dachte an einen anderen.
An den Mann mit der
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