0209 - Die Gruft mit dem Höllenauge
murmelte er.
»Heißt so nicht dein Sohn?«
»Genau.«
»Wenn mich nicht alles täuscht, hat er einen etwas außergewöhnlichen Job.«
Horace Sinclair lächelte. »Er ist Polizist, Gordon.«
»Bei Scotland Yard.«
»Richtig.«
»Und hat er da nicht einen ungewöhnlichen Job zu erledigen? Du hast doch da mal etwas angedeutet.«
Horace F. Sinclair nickte. »Das stimmt, Gordon. Er hat einen etwas ungewöhnlichen Job. John beschäftigt sich mit Geistern, Dämonen und übersinnlichen Phänomenen.«
Miller produzierte Falten auf seiner Stirn. »Im Ernst? Aber so etwas gibt es nicht.«
»Und wie willst du dann die Sache erklären, die dem Piloten passiert ist?«
»Das ist wahr.« Miller leerte sein Glas und schaute versonnen auf den Kristallschliff. »Vielleicht ein übersinnliches Phänomen«, murmelte er.
»Nur, was hast du, beziehungsweise dein Sohn damit zu tun?«
»Das muß ich herausfinden.«
»Ich habe mich schon ein wenig umgehört und umgesehen, Horace.«
»Wirklich?«
»Ja. Du kennst ja selbst die wechselvolle Geschichte deiner Familie. Vor über hundert Jahren hat hier ein Sinclair gelebt. Ein John Sinclair.«
»Das war ein entfernter Verwandter. Nicht der direkte Sproß unserer Familie.«
»Sei froh, denn John Sinclair steht nicht gerade in guter Erinnerung bei uns. Er hat es ziemlich toll getrieben, und zu seinem Clan gehörten nur Hundesöhne und Huren. Die alten Chroniken berichten, daß er und seine Leute sogar den Teufel angebetet haben und Kirchen entweihten.«
»Und dann hat er die Gruft bekommen?«
»Das geschah nach der Neugestaltung des Friedhofes. Du kennst selbst die alten Erbrechte. Die Familie dieses John Sinclair hat schon zu seinen Lebzeiten eine Gruft gekauft. Als er starb, hat man ihn nicht in der alten Gruft beerdigt. Bei der Neugestaltung des Friedhofes dachte man nicht mehr an die uralten Geschichten und bettete ihn um. So liegt er jetzt unter diesem Grabstein.«
»Bist du dir sicher?«
»So gut wie.«
»Aber nachgeschaut hast du nie?«
»Nein«, erwiderte Miller erstaunt.
»Weshalb auch? Ich sah wirklich keinen Grund.«
»Klar, bis heute.«
»Wir wollten ja erst dein Kommen abwarten, Horace, bevor wir etwas unternehmen. Schließlich mußt du deine Einwilligung geben. Es sind deine Verwandten.«
»Na, na. Mit denen will ich nichts zu tun haben. Wie ich dir schon sagte, stammt dieser Sinclair nicht aus der direkten Linie ab. Er muß ein Bruder meines Ur-Ur-Urgroßvaters gewesen sein oder so ähnlich jedenfalls. Ich habe ihn aus meinem Gedächtnis gestrichen. Und in unserer Familienchronik steht nicht viel über ihn geschrieben. Ein Beweis dafür, daß er ein Schwarzes Schaf war.«
Da gab ihm Miller recht.
Horace F. Sinclair schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Sehen wir uns die Sache einmal an?«
»Klar. Nur was ist mit deinem Sohn?«
»Wie meinst du?«
»Willst du ihm nicht Bescheid sagen? Er kümmert sich schließlich von Berufs wegen um diese Dinge.«
»Sicher bekommt er Bescheid. Erst einmal möchte ich mir einen genauen Überblick verschaffen.«
»Tun wir das.«
Beide Männer standen auf und zogen die Mäntel über. »Dein Haus ist ruhig geworden«, stellte Horace Sinclair fest, als er sich den Mantel zuknöpfte.
»Well, die Kinder sind groß. Bei dir wird auch kein Trubel mehr herrschen. Gefällt es dir in Lauder?«
»Ausgezeichnet.«
»Besser als hier?«
»Ja, Gordon. Dort ist mehr los. Hier komme ich mir irgendwie verlassen vor.«
Miller lachte. »Da hast du ein wahres Wort gelassen ausgesprochen. Die beiden Jahre, die du hier verbracht hast, gehören trotzdem zu den schönsten. Weißt du, Horace, nach dem Krieg mußten wir alle ran und aufbauen. Du hast es geschafft, ich ebenfalls. Jetzt sind die Zeiten wieder schlecht, aber die jungen Leute sind satt geworden, sie haben nicht mehr die Härte wie wir, kennen nur Wohlstand und haben nie Hunger gelitten. Das ist irgendwie schade, so sehr ich den Jüngeren ihren Wohlstand gönne.«
»Wir haben wieder eine Ansicht.« Horace Sinclair lächelte. »Trotzdem sehne ich mich nach den alten Zeiten nicht mehr zurück, wenn ich ehrlich bin.«
»Ich war schon immer etwas konservativer als du.« Miller schlug Horace Sinclair auf die Schulter. Dann verließen die beiden Männer das Haus und schlugen den direkten Weg zum Friedhof ein.
Sie mußten quer durch den Ort. Allerdings nahmen sie nicht die breiten Straßen, sondern kürzten ab. Es gab noch ein paar Gassen in Maghel, und dort schien die Zeit
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