0213 - Wir stiegen ein ins Sarggeschäft
und zeigten die Dienstausweise. Er schrieb die Nummern auf und fragte nach den Einzelheiten. Phil erzählte den ersten, ich den zweiten Teil der Geschichte. Der Lieutenant hörte schweigend zu.
»Danke«, sagte er zum Schluss. »Ich werde Ihnen unser Protokoll zur Unterschrift ins Office schicken.«
»Ja, bitte«, murmelte ich dankbar. Eine bleierne Müdigkeit kroch in mir empor. Es hätte mir gerade noch gefehlt, wenn uns der Lieutenant ersucht hätte, sofort mit zum Revier zu kommen und die Formalitäten gleich zu erledigen. Ich fühlte mich so erschlagen, dass ich auf der Stelle hätte schlafen können - trotz des Regens.
»Brauchen Sie die Papiere des Toten?« erkundigte sich der junge Officer.
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein. Aber ich möchte mir den Namen und die Adresse auf schreiben.«
»Lassen Sie mich das tun. Ihr Arm.«
Der Lieutenant zeigte auf die weiße Binde an meinem linken Arm. Sie war so blütenweiß, dass meine Haut daneben dunkelgrau wirkte.
»Solltest du dich nicht schon zum nächsten Hospital fahren lassen?«, fragte mein Freund.
»Die paar Minuten kann ich noch warten«, gähnte ich.
Der Lieutenant hielt uns einen Zettel hin. Ich beugte mich vor, bis das Scheinwerferlicht des Streifenwagens auf das Papier fiel.
Lemmy Morris, las ich. Und dahinter eine Adresse. Ich war sicher, dass ich den Namen noch nie gehört hatte. Morris gibt’s viele bei uns. Aber Lemmy Morris, dieser Name existiert nicht in meinem Gedächtnis.
»Steck den Zettel ein«, bat ich Phil, während ich mich ächzend von der Kiste erhob, auf der ich nun schon eine gute Viertelstunde gehockt hatte. »Brauchen Sie uns noch, Lieutenant?«
»Nein, Sir. Wenn sich noch Fragen ergeben, rufe ich Sie morgen an.«
»Okay. Gute Nacht.«
Die Kollegen der Stadtpolizei erwiderten unseren Gruß. Zusammen mit Phil tappte ich in die Finsternis hinein, die außerhalb des von den Scheinwerfern ausgeleuchteten Kreises nur umso undurchdringlicher wirkte.
Ein Erpresser war gestorben. Kein welterschüttemdes Ereignis. Die »Tribüne« und die »Times« würden höchstens auf der dritten Seite darüber berichten. Mit einer Fünf-Zeilen-Notiz. »Von FBI-Agenten erschossen, als er sich seiner Verhaftung widersetzte«, würde die offizielle Formel lauten. Und ein paar Millionen Leser würden achselzuckend zur Tagesordnung übergehen.Trotzdem stimmte etwas nicht an der ganzen Geschichte. Aber was?
»Entschuldigen die Herren.«
Eine schleimige Stimme riss uns aus unseren Gedanken. Wir waren gerade an der Einfahrt auf die Straße getreten. Ein Schatten hatte sich aus dem nächsten Hauseingang gelöst und kam auf uns zu.
Der Lichtschein von der Straßenlaterne an der Ecke fiel auf einen Mann von ungefähr vierzig Jahren. Er war klein, hager und unruhig. Seine Hände befanden sich in ständiger Bewegung. Die Augen hielt er gesenkt, als wollte er vermeiden, uns anzublicken.
»Ja?«, fragte Phil. »Was ist denn?«
»Nehmen Sie mir meine Neugierde nicht übel, Gentlemen. Ich habe Schüsse gehört und Rufe und sogar eine Polizeisirene. Ist was passiert?«
»Da müssen Sie sich schon an die Polizei wenden«, erwiderte Phil. »Wir sind nur zufällig hineingeraten und haben nicht viel gesehen. Anscheinend haben die Cops einen gesuchten Gangster dahinten gestellt. Genau wissen wir es auch nicht.«
»Ist der Mann tot?«
»Ich glaube«, nickte Phil. »Warum interessieren Sie sich dafür?«
Der Mann zuckte die Achseln.
»Man interessiert sich doch für das, was in der Nachbarschaft vorgeht. Entschuldigen Sie, Gentlemen. Wünsche eine gute Nacht.«
Er drehte sich um und hastete zu dem Hauseingang zurück, aus dem er gekommen war. Phil und ich sahen ihm nach, bis sich die quietschende Haustür hinter ihm schloss.
»Sonderbarer Kauz« murmelte Phil. »Hat ein halbes Dutzend Schüsse gehört und fragt noch, was los ist.«
»Komm endlich«, brummte ich ungeduldig. »Wenn wir uns über jeden sonderbaren Kauz den Kopf zerbrechen wollen, kommen wir zeit unseres Lebens nicht mehr ins Bett. Und dabei bin ich zum Umfallen müde.«
Wir machten uns auf die Strümpfe, um den Parkplatz zu erreichen, wo ich meinen Jaguar abgestellt hatte. Aber statt ans Schlafen zu denken, hätten wir uns doch lieber mit dem sonderbaren Kauz beschäftigen sollen. Und zwar gründlich…
***
»Jedenfalls ist dieser Fall erledigt«, sagte Mr. High am nächsten Morgen.
Es war gegen zehn Uhr, und wir hatten uns in seinem Arbeitszimmer eingefunden, um einen genauen Bericht zu
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