0214a - Alibis und weiße Westen
angekommen. Im offenen Kamin brannte ein Feuer. Leachon forderte uns auf, in den schweren Sesseln Platz zu nehmen, was wir nicht ungern taten.
»Setzen Sie sich doch zu uns!«, forderten wir den Butler auf, der in respektvoller Entfernung stehen geblieben war. Nachdem er den Aufforderung nachgekommen war, sagte ich: »So, Leachon, jetzt wollen wir uns in aller Ruhe unterhalten. Sie sind doch lange bei Ihrem Herrn gewesen. Da sind Ihnen sicher auch seine Geschäfte bis in die Einzelheiten bekannt geworden?«
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, erklären Sie sich bitte deutlicher.«
»Wer führt jetzt eigentlich die Geschäfte weiter? Es muss doch einen Stellvertreter geben?«
»Mister Crockby hatte festgelegt, dass jedes Werk eigenständig ist. In letzter Zeit betätigte er sich kaum, sondern überließ alles seinen Direktoren. Ich weiß das, denn ich wurde häufig als Zeuge zu den Besprechungen zugezogen.«
»Ausgezeichnet, dann wissen Sie natürlich auch, was das Testament Ihres ehemaligen Herrn enthält?«
»Bedaure, Mister Cotton, das Testament hat Mister Crockby nur mit seinem Anwalt besprochen.«
»Sie wussten also nichts davon, dass Sie mit einer hohen Summe bedacht wurden?«
»Es erfreut mich, aber ich hatte keine Ahnung. In meinem Alter ist man natürlich froh, wenn man seinen Lebensabend gesichert weiß. Zumal, da ich jetzt stellungslos bin.«
»Es dürfte Ihnen doch nicht schwer fallen, einen neuen Posten zu finden.«
»Schon möglich, aber ich gewöhne mich nicht mehr um.«
»Als wir Sie zum ersten Mal vernommen haben, wussten Sie uns nur von John Crockby zu berichten. Sie vergaßen völlig, auch den Neffen zu erwähnen, den jungen Alderdale.«
»Jimmy? Er war der Liebling meines Herrn, von ihm konnte er alles haben. Welchen Grund sollte es geben, ihn zu verdächtigen?«
»Unsere Erfahrungen liegen etwas anders. Er gehört zu einer Sorte sehr leichsinniger junger Burschen. Damit komme ich zu einem Punkt, der uns besonders wichtig erscheint: Was tut sich mit dem Whiskyhandel, ich meine, wie geht er vor sich?«
»Ganz einfach. Im Hafen hatte der Herr einen eigenen Schuppen unter Zollverschluss. Dort wurde der Whisky ausgeladen, wenn er aus Schottland 22 ankam. Der Zoll übernahm die Ladung, prüfte sie und stellte sie frei. Dann erfolgte die Verteilung über den Großhandel. Ein Geschäft wie jedes andere auch.«
»Wie war das mit den Gipsköpfen?«
»Genauso.«
»Sie glauben nicht, dass es einen winzig kleinen Kanal gab, durch den der Alkohol um den Schuppen herumfloss?«
»Schmuggel meinen Sie?Völlig ausgeschlossen.«
»Sie haben wohl nichts dagegen, wenn wir uns jetzt das Haus ansehen, dazu hatten wir beim letzten Mal keine Gelegenheit mehr.«
»Ich werde Sie gern führen, folgen Sie mir bitte. Wir beginnen am besten im Keller.«
Leachon zog einen umfangreichen Schlüsselbund aus der Tasche und ging voran, eine verborgene Tür führte in den Keller.
Unheimlich war es dort unten, gewaltige Pfeiler trugen die Decke, muffige Luft stand in den Räumen. Eine schwere Eichentür öffnete sich knarrend, der Butler schaltete eine Lampe ein.
Überrascht blieben wir stehen. Dieser Raum wirkte wie eine kleine Kapelle. Rechts und links von einem Steinsockel waren Kerzenhalter in die Wand eingelassen.
»Sieht aus wie ein Grabgewölbe.« Phil wagte kaum noch, laut zu sprechen.
»Ist es auch!«, stellte Leachon feierlich fest. »In dieser Gruft ruht der Earl of Wonderborough, er war der Ahnherr derer von Wonderborough, doch ist das Geschlecht seit 1802 ausgestorben.«
Wir traten an den Steinsarg heran -tatsächlich, eine Grabplatte lag auf dem Granitbrocken, die Inschrift mit Wappen war deutlich zu erkennen.
»Das Haus, in dem wir uns befinden, war der Stammsitz«, erläuterte der Butler. »Mister Crockby ließ es abreißen und getreu dem Original wieder aufzubauen, wie Sie sicherlich wissen. Auch das Grab kam mit, zumal der Earl von Zeit zu Zeit von sich hören lässt. Besser gesagt: er spukt herum. Sein Ende war nämlich schrecklich, seine Feinde ließen ihn so viel Alkohol trinken, dass er daran starb. Vielleicht war das ein Grund, warum mein Herr die Whiskyfabriken übernahm.«
»Kann man den Geist nicht mal hören?« Ich wollte es genau wissen.
»Schwer zu sagen, er hält sich nämlich nicht an die übliche Regel, dass nur um Mitternacht gespukt werden darf. Er kommt, wann er will. Ich kann Ihnen also nichts versprechen.«
»Seit wann hat er sich denn gemeldet?«
»Mister
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