0214a - Alibis und weiße Westen
»Ich glaube, ich habe was entdeckt. Sieh dir das mal an!«
Wir stiegen in die Grabkammer.
»Leider ist es nicht hell genug, aber du kannst deutlich sehen, dass die Steinplatte etwas verschoben ist.«
Tatsächlich, ein winziger Spalt war zwischen der Platte und dem oberen Rand des Sarkophags zu erkennen. Ich nahm mein Taschenmesser heraus. Die Klinge passte in den Schlitz.
»Es ist aber möglich, dass dieser Riss schon vorhin da war. Wir haben ihn vielleicht übersehen.«
»Das kann sein. Ich finde es jedoch auffallend, dass man beim Zusammenmauern der Steine gepfuscht haben sollte. Wir wollen uns die Sache genauer ansehen, wenn wir Scheinwerfer hierhaben.«
Schwach hörten wir Sirenengeheul.
»Da sind sie schon.«
Wir stiegen wieder an die Oberwelt. Kollege Miners, der den Nachteinsatz leitete, kam uns entgegen. Hinter ihm tauchten die Mitarbeiter auf, bepackt mit den notwendigen Geräten. Auch der Arzt war gekommen.
»Na, Jerry, was gibt denn zu so später Stunde?«
»Nichts Erfreuliches, leider. Man wollte uns umbringen, und im Keller ist der Butler ermordet worden.«
Gemeinsam gingen wir hinunter. Die Kollegen nahmen ihre Arbeit auf.
Wir ließen uns zwei Handleuchten geben und gingen an die Untersuchung der Grabkammem. Im gleißenden Licht wurde deutlich, dass die Deckplatte tatsächlich nicht ganz abschloss. Wieder fuhr ich mit meinem Messer durch den Spalt. An den beiden Längsseiten spürte ich Widerstand.
»Sieh dir das an, Phil, an beiden Seiten, genau an den gleichen Punkten. Wir sollten’s mal mit einer Brechstange versuchen. Ich glaube nämlich, dass es sich nicht um einen Sarg handelt, sondern um einen getarnten Ausgang.«
Ein G-man holte uns die erbetenen Werkzeuge aus dem Bereitschaftswagen.
Wir setzten die Eisenstangen unter der Deckplatte an und versuchten, sie zu heben. Das erwies sich jedoch als unmöglich. Irgendetwas musste den Stein festhalten.
Jeder nahm nun eine der Handlampen auf, Zentimeter für Zentimeter suchten wir den Raum ab.
Aber wir konnten nicht den geringsten Hinweis feststellen, der meine Theorie bewiesen hätte.
Auf einer Bahre wurde Leachon fortgeschafft. »Eindeutige Todesursache«, berichtete der Doktor, »erdrosselt und dann erhängt.«
»Wie lange ist es her?«
»Etwa vier Stunden, Jerry.«
»Dann muss es geschehen sein, nachdem wir gerade das Haus verlassen hatten.«
Miners hatte seine Tätigkeit abgeschlossen. »Traurige Sache, was? Ihr beschäftigt euch doch mit dem Fall, irgendwelche Zusammenhänge?«
»Scheint so, aber Genaues können wir noch nicht sagen. Wie ist der Mörder vorgegangen?«
»Er ist auf eine Leiter gestiegen. Wir haben Schleifspuren sichern können, die Klappleiter stand in einer Ecke. Sicher wurde sie dazu benutzt, Köpfe aus den Regalen zu entnehmen.«
»Ihr meint also auch, dass der Täter sich hier genau ausgekannt haben muss?«
»Das ist nach Lage der Dinge durchaus anzunehmen. Tja, Jerry wir sind so weit. Sonst noch Wünsche?«
»Sucht doch nochmals die Eingangshalle ab. Dort wurde auf uns geschossen, vielleicht findet ihr die Patronenhülsen und Kugeln. Müssen in der Nähe der Tür stecken.«
»Ist gemacht!« Die Kollegen der Mordkommission stiegen hinauf.
»Haben Sie noch was Bemerkenswertes, Doc?«
»Nein. Näheres nach der Obduktion! So long, Boys.«
»Komm, Phil, wir gehen auch hinauf, hier können wir im Moment nichts mehr machen.«
Ich schaltete meinen Handscheinwerfer aus, Phil drehte sich herum, um die Treppe hinaufzusteigen. Dabei streifte der Kegel seiner Lampe die beiden Kerzenhalter, die oberhalb der Grabplatte befestigt waren.
»Halt!«,sagte ich.
»Was' ist denn nun schon wieder los?«
»Mach das noch mal mit der Lampe!«
»Was willst du?«
»Ich hab was entdeckt. Dreh den Scheinwerfer zurück, genauso wie eben.«
»Na gut, ich kann’s ja versuchen.«
Wieder wanderte der Lichtkegel über die Steinquader und traf die Leuchten.
»Da, siehst du? Die abgeschabte Stelle über dem rechten Halter?«
»Tatsächlich, ein heller Fleck.«
Wir gingen näher heran. Oberhalb des Sockels konnten wir eine kleine Bahn ausmachen. Anscheinend war ein Gegenstand an der Wand auf und ab bewegt worden. Ein Zufall hatte uns diesen wichtigen Hinweis gebracht.
»Ich glaube, dass wir dem Geheimnis nähergekommen sind.«
Vorsichtig griff ich nach dem Leuchter und versuchte, ihn zu bewegen. Seitlich rührte er sich nicht von der Stelle, nach unten auch nicht, aber ich konnte ihn hochdrücken.
Ein leises Surren
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