0216 - Der Pharaonenfluch
ägyptischen Antiquitäten war unersättlich und die Polizei griff hart durch, erwischte man Grabräuber auf frischer Tat. Ein ägyptisches Gefängnis aber war alles andere als eine Erholung. Selbst die Hölle konnte dagegen noch einladend wirken.
An so etwas aber wagte Yussef ben Khebir erst gar nicht zu denken. Mit flinken Händen begann er, aus der vor ihm liegenden Wand mehrere faustgroße Steine zu lösen und sorgsam neben sich aufzuschichten. Auch einige schwere Brocken in der Größe eines Kinderkopfes waren dabei und Yussef keuchte vor Anstrengung. Seine Kehle war von der Anstrengung völlig ausgedörrt. Aber er durfte sich keine Pause gönnen.
Nach ungefähr einer halben Stunde schwerer Arbeit hatte er eine Öffnung geschaffen, in die sich der Körper eines schlanken Mannes gerade hineinwinden konnte.
Der Lichtkegel der mitgenommenen Taschenlampe fraß sich in die Dunkelheit. Und er wanderte über ein gespenstisches Bild.
Zu Hunderten waren sie in einer großen, ungefähr mannshohen Kammer aufgereiht. Mit Leinenbändern umwickelt, mit Salben und Spezereien konserviert, schliefen sie hier seit tausenden von Jahren den Schlaf der Ewigkeit.
Das war keine Grabkammer eines Pharao, der einst die Doppelkrone von Ober- und Unterägypten getragen hatte. Es war auch nicht das Grab eines der hohen Palastbeamten am Hofe des Gottkönigs oder eines der Generäle, welche die Macht des Reiches am Nil ausbreiteten.
Es war die letzten Ruhestätte der begüterten Bürgerschicht der damaligen Hauptstadt Theben, die sich zwar den Luxus der Balsamierung und, wenn es hochkam, ein handgeschriebenes Totenbuch, nicht aber ein Felsengrab leisten konnten.
An den Wänden war in fortlaufenden Bildern der Weg der Seele gezeichnet, wie sie vor dem Gericht der Götter steht, wie Anubis, der Totengott mit dem Schakalskopf, und Horus, der falkenköpfige Sonnengott das Unsterbliche des Verstorbenen zu der ewigen Waage geleiten, wo sein Herz gewogen wird.
Ist es leichter als die Last seiner Sünden, die als Gegengewicht in die andere Waagschale kommen, schwebt sie gen Himmel zum Sitz der Götter. Im anderen Falle aber kommt ein häßliches Ungeheuer, eine Kombination aus einem Krokodil, einem Löwen und einem Flußpferd an die Seele heran und verschlingt sie.
Die Gräber der großen Pharaonen waren gefunden worden. Nur noch die bemalten oder stuckverzierten Wände und Decken zeugen von der einstigen Pracht, während die Mumien in Museen rund um den Erdball neugierigen Blicken zur Schau gestellt werden.
Den Schlaf dieser einfachen Leute, kleiner Händler, Handwerker und Priester aus den zahllosen Tempeln von Theben aber hatte niemand gestört, bis Yussef ben Khebir, als er als Knabe in den Bergen um das Tal der Könige herumkletterte, die große Grabkammer durch Zufall entdeckte.
Zwar gab es hier keine großen Schätze aus Gold oder edlen Steinen zu stehlen, höchstens einige kunstvoll gearbeitete Skarabäen, welche man im alten Ägypten gerne als Talisman trug.
Aber auch Mumien und Mumienteile brachten ein gutes Geschäft, wenn man den Markt nicht übersättigte.
Manch einer der Touristen zahlte sehr viel Geld für eine Hand, einen Fuß oder gar den Schädel eines Menschen, der in der Zeit gelebt und gelitten hatte, als man sich in Ägypten noch vor dem widderköpfigen Reichsgott Amun in den Staub warf.
Auch heute Nacht würden einige Mumien aus dem Grabe entwendet und, in Einzelteile zerlegt, unter der Hand verkauft. Ja, und auf Nildampfern, deren Kapitäne und Mannschaften zu schweigen verstanden, würden sie bis nach Kairo gebracht, um dort noch einen höheren Preis zu erzielen.
Yussef ben Khebir warf ein mitgebrachte Seil nach unten. Wie zwei Eichkater hangelten sich zwei sehnige Araber nach oben. Unten hielten sich die restlichen Männer bereit, die Beute in Empfang zu nehmen, wenn die an Stricken hinunter gelassen würde.
Fast renkten sie sich das Genick aus als sie beobachteten, wie sich Yussef wie eine Schlange in das Loch der Grabkammer hineinringelte.
Hätte er auch nur im Entferntesten geahnt, wessen Ruhe seine frevlerische Hand stören würde, er hätte sein finsteres Geschäft für immer aufgegeben.
***
»Heil dir, Ägypten! Isis Heil!« zitierte Professor Zamorra aus der Oper »Aida«, als er neben Nicole Duval, seiner Kampfgesellin gegen die Macht des Bösen und den Gewalten der Hölle die große Verkehrsmaschine auf dem Flughafen von Kairo verließ.
»Hauptsache, du singst das nicht auch!« bemerkte Nicole
Weitere Kostenlose Bücher