0216 - Der Pharaonenfluch
des zwanzigsten Jahrhunderts, eher war ihm zumute wie Aladin auf der Suche nach der Wunderlampe.
Niemand hätte in der hochgewachsenen Gestalt mit dem langen dunklen Haar, dem alten T-Shirt, der abgewetzten Jeans und dem melancholischen Gesichtsausdruck einen Menschen vermutet, der irgendwann einmal der Erbe eines Millionenvermögens sein würde. Carsten Möbius, Sohn von Stephan Möbius, dem allgewaltigen Herrn über eine Kette von Wirtschaftsunternehmen, die über die ganze Welt verstreut waren, hatte nie seine Vorliebe zu der Kleidung verloren, die er in seinen Tagen als Student getragen hatte. Der Fünfundzwanzigjährige haßte alle Arten von Anzügen, sei es ein normales Sakko oder ein Smoking und es bedurfte höchsten Überredungskünsten, ihn zum Anlegen einer Fliege oder einer Krawatte zu bewegen. Er murmelte dann immer etwas von einem »verdammten Kulturstrick!«
Auch das Auto Marke Porsche, das der fürsorgliche Herr Vater seinem Sprößling als standesgemäße Kutsche verordnet hatte, stand meist ungenutzt in der Garage. Dafür erlebte Carsten Möbius mit einem französischen Vehikel, dem der Volksmund den Spitznamen eines Schwimmvogels mit Watschelgang gegeben hat, die tollsten Abenteuer. Vorhaltungen seitens des Herrn Papa im Stile: Was sollen denn die Leute sagen – nützten wenig. Der Filius wollte von der Karre nicht lassen.
Und nun befand sich dieser Carsten Möbius mitten im quirligen Leben des Basar von Kairo und genoß es. Sicherlich, er hatte, wie so oft einen besonderen Auftrag seines Vaters durchzuführen und, wie immer, unbeschränkte Vollmachten, auch in bezug auf Geld. Aber er fand, daß er einige Tage sich in Ruhe die Hauptstadt Ägyptens ansehen sollte. Es ging hier um längerfristige Projekte, wo es auf einen Tag nicht ankam. Und Geld spielte ja bei ihm ohnehin keine Rolle. Dennoch gehörte er nicht zu denen, die im Luxushotel abstiegen. Da hätte man ihn auch in seinem Aufzug nicht eingelassen. Das Hotel »Echnaton« in der Nähe des Nils war sauber und preiswert, und er fiel da nicht besonders auf. Denn die Reporter der internationalen Regenbogenpresse hatten es natürlich immer auf das intime Privatleben eines Millionenerben abgesehen, besonders, wenn er weder verheiratet, noch verlobt, noch sonst von Frauen umgeben war, wie man es bei seinen Finanzen eigentlich annehmen mußte.
Carsten Möbius ließ sich treiben, lauschte lächelnd den Händlern, die ihm lautstark ihre Waren anpriesen, äugte hinüber zu einer der Garküchen und sog den verführerischen Geruch arabischer Gerichte ein und lauschte den Reden der Märchenerzähler, ohne auch nur ein Wort zu verstehen.
Aber er wurde beobachtet. Denn überall da, wo viele Menschen beieinander sind, da betreiben die ihr Handwerk, die durch ihre geschickten Hände ihr Brot verdienen.
Die Taschendiebe von Kairo.
Zwar bot Carsten Möbius wirklich nicht die Figur des reichen Touristen, den es zu bestehlen lohnte, aber die bunte, salopp über die Schulter gehängte Hirtentasche mochte doch einiges als Inhalt haben, das Ibrahim Hamada, den man in den Basaren ehrfurchtsvoll »Vater der fließenden Finger« nannte, gut gebrauchen konnte. Und wenn es nur ein einfacher Fotoapparat oder einige Zigaretten waren.
Ibrahim beschloß, den üblichen Trick anzuwenden, der ihn selbst bei einem eventuellen Eingreifen der Polizei als ehrlichen Menschen erscheinen ließ.
Er überholte Carsten Möbius und kam ihm entgegen, nachdem er kurzfristig in der Menschenmenge untergetaucht war.
»Bakschisch! Bakschisch!« Mit diesem Worte, das jeder Ausländer, der ein arabisches Land bereist, noch vor dem Salem Aleikum lernt, versperrte der höchstens sechzehn Jahre alte Ibrahim Hamada dem erstaunten Carsten Möbius den Weg.
Mit einigen in Englisch gemurmelten Brocken wollte der Deutsche den Ägypter zur Seite schieben. Aber der ließ sich nicht abweisen. Im Gegenteil. Wie ein Wasserfall quollen arabische Worte aus seinem Mund, gleichzeitig strichen wie von ungefähr seine Hände über Carstens Körper.
Alles in dem Deutschen signalisierte höchste Alarmstufe. Er wußte, daß ihn der Dieb mit seinem Geschrei nur ablenken wollte. Beide Hände legte er schützend über die Vordertaschen seiner Hose. Im selben Moment jedoch fühlte er die Finger des Arabers wie Schlangen um seinen Körper gleiten. Instinktiv ging Möbius etwas in die Hocke. Die ohnehin hautenge Jeans spannte sich, der Dieb hätte in den Eingang der Gesäßtasche, wo sich ein Portemonnaie
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