0216 - Der Pharaonenfluch
schnippisch. »Bedenke, daß Radames, der Held der Oper, am Schluß eingemauert wird!«
»Und Aida, seine Geliebte, mit ihm!« erwiderte Zamorra mit einem Blick auf die hübsche Französin, die seinen Gesang so geschmäht hatte.
Unter solchen Frozzeleien passierten sie die Paßkontrolle, und dem ägyptischen Zöllner erschien es, als hätte ihm im Anblick von Nicole Allah alle Sünden dieser Welt und alle Wonnen des Paradieses zugleich offenbart. Die hübsche Französin hatte sich, wie stets, auf betont sexy zurechtgeputzt und das heiße, trockene Klima des Landes am Nil kam ihrem Hang nach dürftiger, leichter Bekleidung besonders entgegen.
Zamorra, obwohl in einschlägigen Fachkreisen als Gelehrter ersten Ranges und Experte auf allen Gebieten der Parapsychologie bekannt, hielt nichts von der Etikette und gab sich, wenn es die Umstände erlaubten, gerne leger. Wie üblich trug er einen Jeansanzug im blendendem Weiß, was hier besonders gut die sengenden Strahlen der Sonne absorbierte und ein lindgrünes T-Shirt. Er war ziemlich hochgewachsen, der ganze Körper war muskulös und wies kein Gramm überflüssiges Fett auf, denn Zamorra wußte, daß es bei seinem gefährlichen Leben darauf ankam, körperlich total fit zu sein. Die Kräfte, die gegen ihn standen, wirkten nicht nur auf der Basis des Ungreifbaren – oft war Zamorra nur durch seine körperliche Kraft und Geschicklichkeit, gepaart mit geistiger Wachsamkeit und Flexibilität und einer gerüttelten Portion Mut, dem Zugriff der Mächte aus dem Jenseitigen entgangen.
Denn das war das zweite Leben des Professors Zamorra. Er war einer der Dämonenjäger, vor denen die Hölle zitterte und der im ewigen Kampf der Kräfte zwischen Gut und Böse eine mächtige Schachfigur auf der positiven Seite war. Geschützt und bewaffnet mit dem Amulett seines unseeligen Vorfahren Leonardo de Montagne, das von Merlin, dem Magier, aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen wurde, bekämpfte er Asmodis, den Fürsten der Finsternis und seine Vasallen aus den höllischen Kreisen. Und obwohl das Amulett merklich in seiner Wirkung nachgelassen hatte, trug Zamorra die Silberscheibe mit den Zeichen des Tierkreises und den hieroglyphenartigen Buchstaben, die bis zum heutigen Tage jeder Übersetzung standgehalten hatten.
»Hotel ›Nil Hilton‹!« gab Zamorra dem Taxifahrer das Ziel an, nachdem sie sich einem der blauen Taxis anvertraut hatten. Gleichzeitig ließ er ein ganz ansehnliches Bakshish in der braunen Hand verschwinden.
Das Trinkgeld an den Driver gereute Zamorra schon wenige Augenblicke später. Denn dieser Großmeister des Lenkrades hatte dies als eine Anfeuerung empfunden, seine Fahrkünste zu zeigen. Und das tat er.
Mit der linken Hand aus dem offenen Wagenfenster winkend und damit anstelle mit dem Fahrtrichtungsanzeiger Signale zu geben, souverän den Wagen mit einer Hand lenkend, machte er eine Slalomfahrt durch Kairos Vormittagsverkehr. Verkehrsregeln schien der Biedermann aus dem Morgenlande nicht zu kennen und die laut quäkende Hupe ersetzte den Kavalier der Straße. Auch Nicole Duval, die selbst eine rasante Fahrerin war, erbleichte.
Eine Taxifahrt bei den wilden Fahrern in Paris oder Rom war dagegen ein reiner Erholungstrip.
Endlich – endlich. Das Ziel. Mit radierenden Reifen bog das Taxi auf dem Midan-el-Thir, dem Befreiungsplatz unmittelbar am Ufer des Nils ein. Zamorra hatte dieses Hotel gewählt, weil es in unmittelbarer Nähe des ägyptischen Museums lag, wohin ihn diverse Verpflichtungen riefen. Außerdem hatte er einige Vorlesungen an der Universität von Kairo zugesagt.
Sein Terminkalender wies jedoch, wie in den meisten Fällen, genügend Freiräume auf, um die Sache nicht in Streß oder Arbeit ausarten zu lassen, wenngleich Zamorra auch vor sich selbst zugeben mußte, daß eigentlich sein ganzes Leben aus Arbeit bestanden hatte, seit er Château Montagne und das Amulett geerbt hatte. Von diesem Zeitpunkt an stand er im Dienste der Menschheit, einer Menschheit, die das, was er tat, nicht würdigen konnte, weil sie nicht an die Macht der Hölle glaubte.
Das durch ein noch kräftigeres Bakshish erhöhte Fahrgeld ließ den Driver auf arabisch in alle Segenssprüche ausbrechen, an denen die blumenreiche Sprache des Orients reich ist.
»Weißt du, Chérie«, sagte Zamorra auf den fast vorwurfsvollen Blick seiner Sekretärin, »eigentlich mußte ich doch für drei Fahrten bezahlen. Eine Taxifahrt, eine mit der Achterbahn und eine mit der
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