0217 - Die Hexeninsel
blieb nicht darin stecken, denn die Hexe stand längst an einer anderen Stelle. Sie hatte ihre Magie ausgespielt. Der Gegenstand, auf den Suko gezielt hatte, war ein Doppelkörper gewesen, der verblaßte und verschwand.
Dafür sprach die echte Hexe. Sie stand weiter links von Suko und schaute ihn an.
Abermals hatte sie die Arme ausgebreitet, das lange Gewand wurde angehoben, und der Stoff flatterte im Wind.
»Das also ist dir dein Freund John Sinclair wert!« rief sie. »Du hast den Anfang gemacht, und du wirst auch die Folgen zu tragen haben. Den ersten Schuß habe ich dir gelassen. Nun bin ich an der Reihe. Ich werde den Hexen meinen Befehl geben, damit sie deinen Freund John Sinclair fallenlassen und ich ihn tot vor meinen Füßen liegen sehe. Als hilfloses, zerschmettertes Bündel, an dem ich meine reine Freude habe. Du hast deine Karten verspielt, Chinese.«
Es waren Worte, die Suko hart trafen. Hatte die Hexe recht? War es wirklich ein Fehler von ihm gewesen, so zu handeln? Er konnte es sich kaum vorstellen, denn was hätte er anders tun sollen? Wenn er nicht reagiert hätte, wäre es trotzdem um John Sinclair geschehen gewesen, denn daß Wikka Gnade kannte, damit war kaum zu rechnen. Zu groß war ihr Haß auf den Geisterjäger. In Suko tobte eine Hölle aus Zweifeln. Mußte er sich Vorwürfe machen? Hatte er einen großen Fehler begangen und trug er dann unter Umständen die Schuld an John Sinclairs Tod? Er spürte, daß sämtliches Blut aus seinem Gesicht gewichen war. Die Furcht und die Angst, versagt zu haben, bewirkten diese Reaktion.
Suko dachte an einen zweiten Schuß. Es wäre Munitionsverschwendung gewesen, und mit den anderen Waffen konnte er nichts ausrichten, da Wikka zu weit entfernt von ihm stand.
»Das ist das Ende des Geisterjägers John Sinclair!« rief Wikka höhnisch. »Dreh dich um, Chinese, dann wirst du es sehen!«
Suko, innerlich völlig leergebrannt, tat, was sie gefordert hatte.
»Sieh nach oben!«
Auch das tat Suko. Er wandte Wikka dabei den Rücken zu, gab sich selbst praktisch in ihre Hände und konnte erkennen, daß die drei Hexen, unter denen sich auch Jane Collins befand, ihren Tanz nicht mehr weiterführten und gestoppt hatten.
Sie hatten einen Kreis gebildet und standen in der Luft Und als Suko den Schrei der Wikka hörte, da lief ein kalter Schauer über seinen Rücken, und die Muskeln in seinem Nacken zogen sich zusammen.
Es war ein Befehl.
Die Hexen gehorchten.
Sie ließen den Geisterjäger los.
Wie ein Stein kippte John in die Tiefe, während Wikka den Fall mit einem grellen Lachen begleitete…
Was tun? Vielleicht war Suko tatsächlich anders als die meisten Menschen, bedingt durch seinen Beruf und die Einsätze, die hinter ihm lagen. Jedenfalls schrie er nicht, versteckte sich nicht, sondern handelte plötzlich. Er startete.
»Willst du ihn auffangen?« lachte die Oberhexe hinter ihm und amüsierte sich köstlich.
Nein, auffangen wollte Suko seinen Freund nicht. Aber ihm war eine wahnwitzige Idee gekommen. Eine, die man als verrückt und gleichzeitig sensationell bezeichnen konnte, aber die einzige noch verbleibende Chance.
Ohne daß Wikka es bemerken konnte, hatte er seinen Stab unter der Jacke hervorgeholt. Es war eine kaum bezahlbare Waffe im Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Von Buddha sollte er abstammen. In einem tibetanischen Kloster hoch in den Bergen des Himalaya hatte Suko ihn bekommen. Ein magisches Erbe, das die Zeit manipulierte. Wenn er ein bestimmtes Wort rief, dann stand die Zeit für eine Spanne von fünf Sekunden still. Jeder, der sich in Rufweite befand, konnte sich nicht mehr bewegen, nur der Träger des Stabs. Und das wollte Suko versuchen! Während er seinen Blick auf den fallenden Körper des Geisterjägers gerichtet hielt, der dem felsigen Inselboden immer näher kam und größer wurde, hielt Suko den Stab bereits in der Hand, und ein gellender Ruf drang über seine Lippen. »Topar!«
***
Plötzlich war alles anders!
Die magische Wirkung des Stabes hatte voll eingesetzt. Der mörderische Fall des Geisterjägers wurde dicht über dem Grund abgebremst. Es war wirklich im letzten Augenblick geschehen. Suko hätte keine Sekunde länger zögern dürfen, und er rannte auf John Sinclair zu, weil er ihn auffangen wollte, wenn die Zeit verstrichen war.
Suko hetzte über den Felsboden. Seine Waffen hatte er wieder weggesteckt, da er beide Arme benötigte, um das schreckliche Unheil abzuwenden.
Vier Sekunden waren vorbei. Noch ein
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