022 - Ich der Vampir
zu früh. Warte noch eine Nacht, und du wirst kräftig genug sein.“
„Eine Nacht?“ Er lachte unsicher. „Lieber nicht, Katalin. Sie könnte verdammt lange dauern.“
„Ich wünschte es mir“, erwiderte sie leise.
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich bei der Vermittlung jemand meldete, aber dann war die Verbindung nach München rasch hergestellt. Nach einigen Augenblicken dröhnte ihm Vandermanns schrille Stimme entgegen: „Sind Sie verrückt, Danner? Sie haben den Nerv, mich jetzt erst anzurufen! Der Vertrag ist in den Binsen, und der fette Vogel gestern abgereist. Valetta wird ihn jetzt rupfen, oder irgendein anderer, und es macht mich ganz krank! Hören Sie mich, Herr Danner? Es macht mich krank!“
Vick hielt den Hörer ein wenig weg vom Ohr, da die Stimme wie ein Sägeblatt durch seinen Kopf zu schneiden schien. Die anschließende Stille war wohltuend, und Vick genoss sie einen Augenblick, bevor er antwortete.
„Welchen Tag haben wir heute?“
Einen Moment schien es, als wollte Vandermann explodieren, dann entlud sich das in einem zischenden, humorlosen Lachen. „Sie Unglücksrabe! Donnerstag Abend! Und am Dienstag Morgen sollten Sie hier sein. Persönliche Anwesenheit war abgemacht. Haben Sie vergessen, dass Pegler keine anonymen Manuskripte kauft? Und es gefiel ihm! Hören Sie mich, Danner? Es gefiel ihm! Aber er kauft das Ding nur zusammen mit Ihrer Visage!“ Er schien zu seufzen. „Als Mensch bin ich bereits so gut wie kaputt, und Sie auf dem besten Wege, mich auch als Agent zu ruinieren. Konnten Sie sich nicht wenigstens dazu bequemen, nach einem Telefon zu greifen und ein paar Ihrer Erklärungen loszulassen, um die Sie sonst nie verlegen sind?“
Vick hörte nur die Hälfte von dem, was Vandermann sagte. Donnerstag! Er befand sich also bereits drei Tage hier. Drei volle Tage! Er sah Katalin entsetzt an. Ihr Anblick ließ ein zärtliches Gefühl in ihm hochwallen. Er streckte den Arm nach ihr aus und zog sie zu sich. Er drückte sie an sich, und ihre Arme schlössen sich um seinen Nacken. Ihre Nähe war verwirrend. Vandermanns Stimme dröhnte fern und bedeutungslos. Vick spürte, wie er zu entgleiten drohte – irgendwohin.
Vandermanns Stimme brach in diesem Augenblick ab, und das brachte Vick zur Besinnung. Er ließ Katalin los und stieß sie halb von sich.
„Vandermann!“ sagte er krächzend.
„Danner, was ist los? Sie hören sich an wie mein Wellensittich. Haben Sie eine größere Feier hinter sich? Wenn ja, dann war sie ein wenig verfrüht.“
„Vandermann“, unterbrach ihn Vick, „ich bin krank. Ich weiß nicht, was es ist, aber etwas geht mit mir vor.“
„Wo waren Sie in den letzten drei Tagen? Ich bin mit dem Telefon ins Bett gegangen, aber bei Ihnen hat niemand abgehoben.“
„Ich war die ganze Zeit über hier.“
„Hier? Sie Spaßvogel, wo ist hier?“
„Ein kleiner Ort, nicht weit von der Autobahn, aber ich weiß den Namen nicht.“ Er sah Katalin fragend an.
Sie schüttelte den Kopf und flüsterte: „Hat keinen Namen.“
„Sie wissen den Namen nicht?“ rief Vandermann, und Vick unterbrach ihn. „Ich erfahre soeben, der Ort hat keinen Namen.“
„Aber Sie müssen doch um alles in der Welt wissen, wo Sie sich aufhalten! Beängstigt Sie das nicht, wie ein verlorenes Schaf herumzustehen?“
„Hören Sie, Vandermann“, erwiderte Vick aufgebracht, „ich weiß zwar, dass Sie gern auf anderen Leuten herumtrampeln, und das ist auch der Grund, warum ich mir ausgerechnet Sie als Agenten aussuchte, aber wenn Sie jetzt nicht bald von mir heruntersteigen, hänge ich hier ein, und Sie können Danner aus Ihrem Repertoire streichen.“
Als Vandermann daraufhin nichts erwiderte, fuhr Vick fort: „Der Ort liegt vielleicht sechs oder sieben Kilometer von der Autobahn entfernt.“
„Von welcher Autobahn?“
„Von der Frankfurter natürlich. Ich kam in der Nacht an und habe keine Schilder gesehen. Da war eine Autobahnstation – wie die hieß?“ Er sah das Mädchen fragend an.
„Max’ Service“, flüsterte sie.
„Max’Service!“
„Das ist ja eine ganze Menge Information, die Sie da haben“, meinte Vandermann sarkastisch. „Hätten Sie nicht auch von dort früher anrufen können? Schließlich war die Sache von größter Wichtigkeit!“
„Ich bin seit meiner Ankunft zum ersten Mal klar bei Bewusstsein“, erklärte Vick, „und es ist am besten, Sie verkneifen sich jede Bemerkung, so witzig sie Ihnen auch erscheinen mag, weil ich Ihnen sonst
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