022 - Jagt die Satansbrut
sich ebenfalls. Manchmal strahlt er so stark, daß man die Augen schließen muß, dann wieder ist er fast farblos, und das Gold wird dunkelbraun, fast schwarz.«
»Aber wie kann man den Drudenfuß als Waffe gegen die Dämonen-Drillinge einsetzen, Meister?«
Er lächelte geheimnisvoll. »Das werde ich dir später erklären, Juan.«
Ich beugte mich vor. Einige der Symbole erkannte ich: die Liebenden, das Rad des Lebens, der Erhängte, der Mond, der Magier, der Teufel, die Sonne, der Tod. Wie unter einem fremden Zwang streckte ich eine Hand aus.
»Faß ihn nicht an!«, zischte Villanovanus. »Es könnte dein Tod sein, Juan.«
Ich zog die Hand zurück.
»Manchmal bewegen sich die Symbole von selbst.« Er legte seine rechte Hand auf die Spitze, und ich wartete atemlos, ob etwas geschehen würde.
Nach einigen Minuten bewegte sich eines der Symbole. Es war der Kelch-König. Er wanderte langsam den Stab hinunter und berührte ein anderes Symbol. Es war der Mond. Der Drudenfuß weitete sich und schimmerte. Er schien zu leuchten.
Villanovanus zog entsetzt die Hand zurück. Das Symbol für die Gerechtigkeit bewegte sich langsam. Dann kam Bewegung in die anderen Symbole.
Der Alchimist packte den Drudenfuß und versuchte verzweifelt, das Kreisen der Symbole zu stoppen, doch er hatte keinen Einfluß mehr darauf. Meine Augen weiteten sich. Eines der Symbole leuchtete nun blutrot. Der Tod.
»Ich bin verloren, Juan«, sagte Villanovanus.
»Es muß für Euch eine Rettung geben, Meister!« rief ich.
Er schüttelte den Kopf. Fast unhörbar sagte er: »Ich habe es geahnt. Der Drudenfuß wendet sich gegen mich. Nimm ihn an dich, Juan! Aber vermeide es, ihn mit den bloßen Händen zu berühren!«
Ein zweites Symbol glühte nun. Es war der Kelch-König. Der Tod wanderte den Stab hoch. Schließlich lagen sich die beiden leuchtenden Symbole genau gegenüber.
Villanovanus hob beide Hände und schloß die Augen. Seine Lippen bewegten sich leicht. Ich wollte nach ihm greifen, zuckte jedoch zurück. Aus dem Drudenfuß schoß ein blendendweißer Strahl, der den Alchimisten einhüllte. Er bäumte sich auf und brach zusammen.
Ich kniete neben ihm nieder und wälzte ihn auf den Rücken. Sein Gesicht war entspannt, die Augen waren geschlossen, und ein friedliches Lächeln lag um seinen Mund. Ich griff nach seinen verkrampften Händen, sie waren eiskalt. Sanft strich ich dem Toten über die Stirn.
Meine Kehle war wie zugeschnürt. Tränen hingen in meinen Augen. Ich konnte und wollte es nicht wahrhaben, daß mein Lehrer tot war. Ich hielt seine eisige Hand, und meine Tränen tropften auf sein Gesicht. Die Kerzen brannten herunter, eine nach der anderen erlosch. Stunden mußten vergangen sein. Schließlich stand ich auf und blickte zum Drudenfuß. Er war geschrumpft und hatte in meiner Faust Platz.
Mein Lehrer hatte geahnt, daß ihn der Tod erwarten würde. Es war sein Wunsch gewesen, daß ich den Drudenfuß an mich nahm, doch ich wußte nicht, wie ich ihn gegen die Dämonen-Drillinge anwenden konnte.
Ich suchte nach einem Tuch, fand eines, wickelte den Drudenfuß darin ein und steckte ihn in eine Tasche. Dann warf ich dem Toten einen letzten Blick zu und verließ mit hängenden Schultern den Keller. Langsam stieg ich die Stufen hoch. Sebastion kam mir entgegen. Er blickte in mein Gesicht.
»Was ist passiert?« fragte er ängstlich.
»Dein Herr ist tot«, sagte ich tonlos. »Er starb während eines Experiments.«
Sebastions Gesicht wurde kreidebleich. Er drückte sich die Hände gegen die Brust und schloß die Augen. »Er war voller Todesahnungen«, sagte er mit bebender Stimme. »Er wußte, daß er bald sterben würde.«
»Seit wann sprach er davon?«
»Seit einer Woche, Herr. Er las es in den Karten. Er gab mir genaue Anweisungen, was nach seinem Tod zu geschehen habe. Und die werde ich jetzt erfüllen.«
Mein Herz war schwer. Ich ging an Sebastion vorbei und trat auf die Gasse hinaus. Es war dunkel geworden. Der Vollmond stand hoch am Himmel. Ohne zu denken, lief ich durch die nächtlichen Straßen. Meine Schritte führten mich zum Fluß. Dort setzte ich mich nieder. Ich blickte über das Wasser, und meine Gedanken waren voll Bitterkeit.
Villanovanus war viel mehr als ein Lehrer für mich gewesen. Er war ein Freund. Ich hatte für ihn mehr als für meinen Vater empfunden. Im Moment konnte ich mir ein Leben ohne ihn noch gar nicht vorstellen.
Ich wollte in seinem Sinn weiterarbeiten. Irgendwie mußte es mir gelingen, hinter
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