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022 - Schreie aus dem Sarg

022 - Schreie aus dem Sarg

Titel: 022 - Schreie aus dem Sarg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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frische Luft zu schöpfen. Vielleicht hat sie sich heimlich
mit einem Freund getroffen. Mit neunzehn Jahren ist das ein ganz natürlicher
Vorgang, Monsieur Luison.«
    Er wurde unterbrochen, und auch Luison kam nicht mehr dazu, etwas auf die
scharfe Bemerkung Lasalles zu entgegnen. Vom Balkon her kam atemlos eine
Afrikanerin.
    »Monsieur, Monsieur«, rief sie erregt, während sie direkt auf Luison zukam.
Die Augen des Franzosen wurden hart.
    »Was ist?«, fragte er rau. Er hatte einen fürchterlichen Verdacht, als er
die Schwarze vom Balkon kommen sah. Sein Blick ging in die dunkle Tiefe. Sollte
...
    Die Augen der Afrikanerin sagten alles.
    Auch die Umstehenden schienen bemerkt zu haben, was sich ereignet hatte.
    Madame Luison musste zu einem Sessel gebracht werden. Ihr Mann rannte auf
den Balkon hinaus. Lasalle wich nicht von seiner Seite. Unten auf dem dunklen
Bürgersteig zeichnete sich deutlich etwas Helles ab, und die ersten Menschen
versammelten sich vor dem Hotel.
    »Nanette«, kam es wie ein Hauch über die schmalen, bleichen Lippen von
Monsieur Luison. Er achtete nicht auf die Gäste, die auf den Balkon
hinausdrängten. Er wandte sich um, schob die Männer und Frauen einfach zur
Seite, rannte quer durch den festlich erleuchteten Saal, der ihm plötzlich wie
eine Leichenhalle vorkam. Wo waren die Menschen, die hier eben noch fröhlich
waren, getanzt und gescherzt? Der Saal war wie leergefegt.
    Mit dem Lift kam Luison unten an. In Schweiß gebadet stürzte er hinaus auf
die Straße und musste sich mühsam einen Weg durch die Menschen bahnen, die sich
während der letzten Minuten vor dem Hotel versammelt hatten. Einige gingen
bereits wieder davon, andere lachten leise auf, schüttelten den Kopf und
entfernten sich wieder.
    Afrikaner, Passanten, die durch die nächtliche Straße schlenderten,
Hotelgäste, die irgendwie auf das Geschehen aufmerksam geworden waren. Ein
Unglück sprach sich schnell herum. Aber – konnte man über ein Unglück lachen ?
    Luison merkte, wie ihm der Kragen zu eng wurde.
    »Weg hier.« Er boxte sich förmlich durch die Umstehenden, die ihm den Weg
zu seiner aus dem 17. Stock gestürzten Tochter versperrten. »So machen Sie doch
Platz – schnell – gehen Sie auf die
Seite!«
    Von der anderen Straßenseite näherte sich ein Polizist.
    Luison kam alles vor wie ein böser Traum, und er hoffte, bald daraus zu
erwachen. Schon jetzt war die Anspannung unerträglich, und man sagte doch, dass
der Träumende, sobald er vor eine Situation gestellt wurde, die sein Körper und
sein Geist nicht mehr verkraften konnten – sofort aufwachen würde.
    Dann stand er vor dem zerfetzten Kleid, das Nanette getragen hatte. Es war
blutverschmiert. Luison schloss sekundenlang die zitternden Augenlider.
    »Nanette?«, fragte er flüsternd, heiser, benommen, und seine Stimme klang
eher wie ein Krächzen. Nur das blutverschmierte Kleid lag vor seinen Füßen.
Eine leere Hülle. Keine Spur von der Toten ...
     
    ●
     
    »Da hat sich jemand einen makabren Scherz erlaubt.« Die Stimme von Lasalle,
dem reichen Goldminenbesitzer, klang wie aus weiter Ferne an sein Ohr.
    »Reichlich makaber, Lasalle«, bemerkte Luison benommen. Er verstand die
Welt nicht mehr.
    »Scherz?«, meldete sich eine dritte Stimme.
    Luison wandte langsam den Kopf. Wie aus dem Boden gewachsen stand ein
elegant gekleideter Afrikaner vor ihm. Dunkle, glutvolle Augen. Ein Sportstyp.
Ein intelligenter Mann. Dr. Solifou Keita.
    »Es ist kein Scherz, Monsieur«, flüsterte Keita. Er sprach gerade so laut,
dass Luison ihn verstehen konnte.
    »Kein Scherz, Doktor?«
    Solifou Keita schüttelte den krausen Kopf. »Ich fürchte, hier geht etwas
vor, das ein grausiges Nachspiel haben wird.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der Körper fehlt. Wir sehen es alle. Also wird er wiederkommen! Es gibt
Dinge in Afrika, die die Weißen vor einem Jahrhundert noch nicht verstanden
haben, Dinge, vor denen sie sich schon damals fürchteten und es auch heute noch
tun.«
    » Zombie ?« Gegen seinen Willen
sprach Luison diesen Begriff aus. Er zuckte zusammen, als ihm bewusst wurde,
dass er laut über seine Lippen gekommen war.
    Solifou erwiderte den Blick des Europäers.
    »Ein Begriff, der in Afrika oft fällt und den doch die wenigsten
verstehen«, sagte er mit klarer Stimme. »Vielleicht eine Art Zombie, der
wiederkehrt. Wer weiß? Ich kann hier nur eine Vermutung aussprechen. Wer weiß
schon, was hier wirklich vorgeht, Monsieur ...?«
    Drei Sekunden lang sprach niemand

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