0221 - Der Todessee
Terrence den Rücken des Knöchernen.
Karen atmete auf. Die Spannung ließ nach. In den letzten Sekunden war sie irgendwie weit weg gewesen, hatte sich nur auf das Skelett konzentriert, nun kehrte sie in die Wirklichkeit zurück, und sie spürte auch den Kolben des Revolvers in ihrer Faust.
Zwischen der Handfläche und dem Walnußgriff des Holzes hatte sich ein Schweißfilm gelegt. Überhaupt war Karen schweißüberströmt, und sie wischte hastig über ihre Augen, bevor die salzige Flüssigkeit hineinrinnen konnte. Den ersten Teil des unheimlichen Vorgangs hatten sie überstanden. Und in ihr keimte so etwas wie Euphorie hoch, denn sie hatte plötzlich das Gefühl, daß es leicht sein würde, den unheimlichen Knochenmann zu überlisten.
Terrence dachte da anders. Er warnte das Mädchen mit rauher flüsternder Stimme.
»Noch ist es Zeit. Laß uns zurückgehen!«
Karen lachte nur. »Alter, du bist ein Feigling, das merke ich immer mehr. Nein, ich bleibe hier.«
»Das Skelett ist gefährlich…«
»Tut mir leid, davon habe ich nichts gemerkt. Alles nur dumme Sprüche, ich hole mir den Schatz, und daran wirst auch du nichts ändern. Verlaß dich drauf.«
»Dann tut es mir leid um dich.«
»Um mich. Denk lieber an dich!« Sie stieß mit der Revolvermündung härter zu, denn sie hatte gesehen, daß das Skelett innerhalb der alten Ruine so verschwunden war, daß man von seiner Erscheinung nichts mehr sehen konnte. Nur der Widerschein eines schwachen blauen Leuchtens lag noch über den Mauern.
Der Alte blieb knien, als wäre er auf dem Boden festgeleimt.
Karen fuhr ihn an: »Los, hoch mit dir!«
Terrence zuckte zusammen. Er drehte den Kopf, schaute das junge Mädchen an und nickte. »Ja«, flüsterte er, »ich stehe auf. Ich werde mit dir gehen, aber ich will dir auch sagen, daß du dich in einer tödlichen Gefahr befindest.«
»Hör endlich auf damit!« zischte Karen. »Ich habe genug von deinem Gelaber.«
Der Mann hob nur die Schultern, nickte und schritt behutsam voran. Karen blieb dicht hinter ihm. Obwohl sie kein Profi war, hielt sie genau die Distanz ein, die sie benötigte, um einem überraschenden Angriff entgehen zu können.
Terrence hielt sich dicht an der Mauer. Seine Füße schlurften durch das Gras. Er hatte den Kopf gesenkt und ging wie ein Verurteilter, den man zur Hinrichtung führt und der mit seinem Leben endgültig abgeschlossen hat.
Tatsächlich dachte er daran, denn das Mädchen hinter ihm war viel zu naiv, es begriff nicht, welche Kräfte hier lauerten, welch uralte Geheimnisse, die entstanden waren, als der Mensch noch gar nicht hier lebte.
Das Ziel war nicht zu verfehlen, denn der blaue Widerschein wies Karen den Weg. Und sie achtete genau darauf, daß der alte Mann keine Dummheiten machte. Sie wollte und würde sieh nicht überrumpeln lassen, sondern sofort schießen.
Ein wenig wunderte sie sich selbst darüber, wie hart sie plötzlich sein konnte. Aber der Alte hatte sie dahin getrieben, und so fiel es ihr leicht, die Gewissensbisse zu unterdrücken.
Ein wenig dachte sie noch an Jill Livingstone. Ein Ungeheuer hatte ihre Freundin geholt, und sie erinnerte sich auch an die beiden Männer, die sie auf der schwarzen Fläche des Sees gesehen hatte.
Von ihnen war nichts mehr zu erkennen gewesen, wahrscheinlich hatte die Bestie sie auch geholt.
Sie näherten sich jetzt dem Teil der Ruine, wo früher auch der kleine Turm gestanden hatte. Jetzt lagen nur noch Trümmer dort, aber dort hatte sich das Leuchten verstärkt. Irgendwo mußte das Skelett stecken.
Der alte Terrence begann damit, über die ersten Trümmer hinwegzusteigen. Karen drängte den Mann, nur sehr vorsichtig zu sein und keinerlei Geräusche zu verursachen, denn so etwas konnte leicht ins Auge gehen.
Auch Karen mußte achtgeben. Der Mann hatte es da einfacher, er brauchte sich nur um den Weg zu kümmern, während Karen ihn und die Strecke im Auge behalten mußte.
Zwischen den Trümmern wuchs hohes Farnkraut. Durch das blaue Leuchten hatte es einen seltsamen Glanz bekommen und schimmerte nun türkis.
Plötzlich stoppte der Alte.
»Was ist los?« raunte Karen.
»Es geht nicht mehr weiter.«
»Rede keinen Unsinn.«
»Doch, überzeuge dich selbst.«
Karen dachte nach. Sie glaubte nicht, daß der Kerl sie angelogen hatte, dazu besaß er nicht die Nerven. So blieb ihr nichts anderes übrig, als dicht an den Mann heranzutreten und an ihm vorbeizuschauen, wobei sie allerdings darauf achtete, daß die Waffenmündung
Weitere Kostenlose Bücher