0221 - Der Todessee
über dem Wasser der Nebel. Die Schleier bewegten sich, der Wind fuhr in den Dunst und produzierte mit ihm einen geisterhaften Tanz.
Von dem Ungeheuer hatten wir nichts mehr gesehen. Beide waren wir darüber sehr froh, doch wir hatten nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen können, ob wir es auch endgültig erledigt hatten. Wie es allerdings aussah, hatten wir nichts mehr von der Bestie zu befürchten.
Ich saß vor Suko. Der Chinese hatte sich meinem Ruderrhythmus angepaßt. Während ich mein Paddel in die Fluten tauchte, tat Suko mit seiner Planke das gleiche.
So kamen wir voran, legten Yard für Yard zurück und näherten uns dem Ziel, der vorgeschobenen und in den See hineinragenden Landzunge.
Durch die einseitige Belastung spürte ich ein Ziehen in der rechten Seite. Das hielt mich allerdings nicht davon ab, weiterhin alles in die Waagschale zu werfen, um so rasch wie möglich das trockene Land zu erreichen.
Das Skelett entfernte sich immer weiter von uns.
Es war schon eine geisterhafte, unheimlich wirkende Erscheinung, wie es auf dem Wasser schwebte, denn wir hörten kein Geräusch, wie es dem Ufer entgegenglitt. Und wir sahen auch keine Bugwelle, wie sie ein normales Boot produziert hätte.
Der gesamte Vorgang ging in einer unheimlichen Lautlosigkeit über die Bühne.
Die Knochen schimmerten innerhalb des blauen Lichts dunkler.
Von vorn hatten wir den unheimlichen Bootsfahrer noch nicht gesehen, und wir wußten auch nicht, welches Ziel er verfolgte.
Ich sah als erster den gewaltigen Schatten, der vor uns auftauchte. Es war bereits die Landzunge, die von uns angesteuert wurde und sich wie ein breiter Finger in den See hineinschob.
Einzelheiten konnten wir noch nicht ausmachen, wir sahen nur den Schatten, der vor uns hochwuchs, immer breiter wurde und auch mehr Konturen an nahm, denn wir erkannten bereits die Kronen der hochwachsenden Bäume.
Ich glaubte mich zu erinnern, daß die Bäume, die direkt am Ufer standen, eine Neigung zum See hin besaßen. Einer Täuschung war ich nicht erlegen, denn als wir uns so weit genähert hatten, daß wir weitere Einzelheiten ausmachen konnten, war es bereits zu spät. So schnell konnten wir nicht stoppen.
Unser provisorisches Boot glitt in eine auf dem Wasser liegende gewaltige Laubkrone hinein. Die Fahrt wurde zwar gebremst, allerdings liefen wir auch in Gefahr, von den stärkeren Ästen und Zweigen vom Boot gedrückt und ins Wasser gestoßen zu werden.
Wir mußten unsere Hände zu Hilfe nehmen, um uns festzuklammern.
In der Dunkelheit konnten wir kaum etwas sehen und auch den Zweigen nicht richtig ausweichen. Ein paarmal wurden Suko und ich von den Ästen getroffen, sie schrammten über unsere Gesichtshaut, wollten sich an der feuchten Kleidung festhaken, und es gelang uns nur mit großer Mühe, auf dem kieloben treibenden Boot sitzenzubleiben.
Schließlich hatten wir es geschafft.
Das heißt, unser Boot wurde angehalten. »Runter!« hörte ich Suko sagen.
Wir rutschten vom Kiel. Das Wasser war hier flach. Es reichte uns nur noch bis zu den Knien. Ich kam mir vor wie in einem Mangrovenwirrwarr, als ich mich auf das Ufer zu bewegte.
Suko hielt sich dicht hinter mir. Wir hoben unsere Beine an und platschten durch das Wasser, auf dessen Oberfläche noch das faulige Laub vom vergangenen Herbst schwamm.
Das Wasser wurde immer flacher. Schließlich bedeckte es nur noch meine Knöchel, und zwei Schritte weiter betrat ich als erster das feuchte, sumpfig wirkende Ufer.
Erst einmal atmete ich auf. Seit langer Zeit wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, das tat gut.
Als Suko neben mir stand, sah ich, wie er seine Beretta nachlud.
Das hatten wir bisher versäumt. Ich tat es ihm nach, und beide schauten wir nach links, denn dort irgendwo mußte das Skelett an Land gegangen sein. Und das war genau der Platz, wo sich auch die alte Ruine befand und unser Bentley stand.
Für Suko und mich gab es keinen Zweifel, daß die Ruine das Ziel des Skeletts war. Was es dort zu suchen hatte, wußten wir nicht, aber wir würden es herausfinden.
Im Augenblick sahen wir das blaue Licht als sehr, sehr schwaches Leuchten, aber es war vorhanden, und wir konnten uns orientieren. Schade nur, daß wir nicht auf direktem Weg an die unheimliche Gestalt herankamen, wir mußten zuerst die Landzunge umgehen.
Beide hatten wir es eilig, denn wir wollten auch das letzte Rätsel dieses geheimnisvollen Sees lösen…
***
Sie hatten sich ein gutes Versteck ausgesucht. Karen
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