0221 - Der Todessee
noch um die Mumie?« fragte ich. Dabei spielte ich auf unseren letzten Fall an.
Sir James schüttelte den Kopf. Er antwortete mit einer Frage, die ich von ihm nicht erwartet hätte. »Haben Sie gut gefrühstückt, John?«
Ich grinste, wobei ich mit fünf Fingern durch die Frisur strich. »Es war zwar nicht sehr üppig, aber immerhin.«
»Dann sehen Sie mal zu, daß Sie es trotzdem behalten«, meinte Sir James sarkastisch.
Der Alte sprach mal wieder in Rätseln, und ich verstand nur Bahnhof. »Was ist eigentlich los?«
»Werden Sie gleich sehen.« Der Fahrstuhl stoppte, wir hatten unser Ziel erreicht.
Dieser von uns Keller genannte unterirdische Komplex des Yard Buildings stellte ein kleines Phänomen dar. Hier feierte die moderne Technik wahre Urstände. Es gab perfekt eingerichtete Labors, das große Rechenzentrum hatte ebenfalls seinen Platz gefunden, und in einem Trakt wurden die Untersuchungshäftlinge festgehalten. Es gab aber auch ein Schauhaus und die Obduktionsabteilung. Dort gingen ebenfalls speziell ausgebildete Ärzte ihrer makabren Arbeit nach, genau wie überall hier unten nur Spezialisten arbeiteten.
Ich war gespannt, was ich hier sollte und wurde überrascht, als uns Suko entgegentrat.
»Du bist hier?« fragte ich erstaunt.
»Ja, man hat mich gleich unten abgefangen.«
Der Chinese war ein wenig später ins Büro gekommen. Er fuhr immer mit seiner Harley. Auf den Renner wollte er keinesfalls verzichten.
»Was sollen wir hier?«
Mein Freund hob die Schultern. »Keine Ahnung.«
»Kommen Sie, meine Herren«, sagte Sir James und stiefelte voran. Wir schritten durch einen langen Gang, gelangten an eine Kreuzung und wandten uns nach links, wo es zur Obduktionsabteilung ging. Suko und ich warfen uns einen schrägen Blick zu. Wir dachten wohl das gleiche. Wahrscheinlich mußten wir eine Leiche identifizieren. Ich spürte plötzlich ein bedrückendes Gefühl in der Magengegend, da mir ein schrecklicher Verdacht gekommen war. Wenn Sir James uns schon für so eine Aufgabe heranzog, dann war der oder die Tote sicherlich ein Bekannter von uns. Und ich hatte meine Befürchtungen, denn ich dachte an Jane Collins. Seit in sie der Geist des Rippers gefahren war, hatte ich kaum eine ruhige Minute mehr gehabt. Jane war praktisch zu einem Monstrum geworden, und nicht nur das. Sie hatte durch diese grausame Veränderung auch den Weg zu der gefährlichen Hexe Wikka gefunden und war von ihr mit Freuden in den Kreis ihrer Diener und Dienerinnen aufgenommen worden.
Jane Collins stand jetzt auf der anderen Seite. Damit hatte ich fertigwerden müssen, und es war mir verdammt schwer gefallen, Freunde, das können Sie mir glauben. Verzweifelt hatten wir sie gesucht, aber nicht gefunden. Die Fahndung lief noch immer, und ich hoffte für Jane, daß es irgendwann mal ein Zurück für sie geben würde, obwohl das sehr, sehr schwer war.
Und jetzt, als wir durch den langen Gang schritten, kam mir der Gedanke, daß Jane gefunden worden war und als Leiche auf dem Obduktionstisch lag.
Meine Gesichtsfarbe hatte sich verändert, das merkte ich, ohne es zu sehen. Ich stellte nur fest, daß Suko mir von der Seite her einen prüfenden Blick zuwarf. Der Chinese sagte allerdings nichts.
Unser erstes Ziel war ein kleines Büro. Dort residierte der Leiter dieser medizinischen Abteilung. Er war ein alter Fachmann, ihm konnte so leicht niemand etwas vormachen, und er begrüßte uns mit einem Handschlag.
»Haben Sie alles vorbereitet?« fragte Sir James.
»Gewiß.«
»Konnte man sie identifizieren?« hackte unser Chef nach.
Mir gab es einen Stich. Sie, hatte Sir James gesagt. Hieß das vielleicht, daß wir jetzt mit der toten Jane Collins konfrontiert wurden oder einer anderen Bekannten?
Ich schluckte hart und atmete scharf durch die Nase.
»Sie müssen sich beide zusammenreißen«, sagte Sir James Powell, während er dem Arzt zunickte, der auf eine Tür zuschritt, die in den Obduktionsraum führte.
Es gab nicht nur einen, sondern mehrere. Die einzelnen Räume gingen ineinander über.
Ich habe schon in finsteren Grüften gesteckt, verfluchten Schlössern oder Burgen, also Orten, wo man als normaler Mensch eine Heidenangst bekommen konnte, aber nie ist mein Gefühl der Beklemmung so stark wie in dieser nüchternen Obduktionsabteilung. Wenn ich diese gekühlten und mit kalten Fliesen ausgelegten Räume betrat, dann hatte ich jedesmal den Eindruck, als würde ein Eisenreif mein Herz umklammern und mich auch an der Atmung
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