0222 - Schlucht der stummen Götter
du dich auch nicht eben stark benommen.«
»Mußt du ausgerechnet sagen. Hast dich nur ausgeruht und meckerst jetzt.«
»Ja, ja, das Leben ist ungerecht.«
Das war für eine Weile unser letzter Dialog, denn wir mußten stramm durchgehen, bis zu unserem Ziel war es noch ein ziemliches Stück.
Ich ärgerte mich immer mehr, wenn ich daran dachte, wie sehr uns das Skelett geleimt hatte. Es war mit unserem Wagen verschwunden, steckte vielleicht in einer anderen Dimension und war für uns gewissermaßen unauffindbar.
Wo wir suchen sollten, wußten wir nicht. Es gab so viele Dimensionen, daß man sie überhaupt nicht aufzählen konnte, und wir kannten nur einen Bruchteil davon.
Natürlich dachte ich immer an die Leichenstadt, einen Hort finsterer Dämonen. Obwohl ich ein beklemmendes Gefühl dabei bekam, war ich doch irgendwie gespannt, die Stadt einmal zu Gesicht zu bekommen. Vielleicht würde mir dies durch den Schlüssel gelingen, falls ich ihn je in der Hand hielt.
Das Gelände senkte sich jetzt ein wenig. Links von uns lag die dunkle Wasserfläche. Der Wind kräuselte sie zu kleinen Wellen, die dem Ufer entgegenliefen.
Wir hatten einen freien Blick auf den Ort.
Irgendwie sah das Städtchen malerisch aus. Es lag direkt am See, und die Bewohner hatten sogar einen provisorischen Hafen gebaut.
Dort schaukelten einige Boote, zumeist alte Holzkähne, die wie schwerfällige Tiere auf den Wellen dümpelten.
Menschen sahen wir noch nicht. Vor dem Dorf mähte nur ein alter Mann auf seinem Feld das hohe Gras. Er schaute uns mißtrauisch an, als wir ihn passierten.
Aus der Ferne vernahmen wir das knatternde Motorgeräusch eines Traktors, und Seemöwen stiegen krächzend über dem schwarzen Wasser den mittlerweile grau gewordenen Wolken entgegen. Im Radio hatten sie einen Wetterumschwung angesagt. Hier im Westen würde er beginnen, bevor das Land völlig erfaßt wurde.
Es war auch kühler geworden, und nach einer Kehre konnten wir das Dorf einsehen.
Die Uferstraße führte nicht in einer geraden Linie durch Darkwater, sondern wand sich wie eine Schlange. Da gab es zahlreiche Ecken, an die wir stoßen konnten. Häuser standen mit ihren Wänden vor, auch kleine Erker schoben sich aus den Mauern und jedes Haus schien hier seine 100 Jahre auf dem Buckel zu haben.
Von den Bewohnern war nicht viel zu sehen. Nur wenige Menschen überquerten die Straße, ohne nach links und rechts zu schauen. Von dem Hauptweg zweigten Gassen ab. Einige führten zum See, andere wieder jenseits davon in das Dorf hinein.
Wir kamen uns wirklich fremd vor. Unterwegs hatten wir abgemacht, zuerst der Polizeistation einen Besuch zu machen. Dort wartete der Konstabler auf uns, mit dem hatten wir bereits an der Ruine gesprochen, als das Bein der blonden Jill Livingstone angeschwemmt worden war. Der Konstabler sollte uns weiterhelfen.
Wir suchten die Polizeistation. Auf dem Dorfplatz fanden wir sie nicht. Als wir fragten, bekamen wir nur ein Schulterzucken zur Antwort.
»Sehr freundlich, die Leute«, bemerkte Suko.
Ich nickte.
»Vielleicht haben die keine?« vermutete der Chinese.
Ich schaute meinen Freund an und grinste. »Das ist die Lösung«, und winkte einem vor seinem kleinen Pub stehenden Wirt zu, der augenblicklich ein interessiertes Gesicht zeigte. Wahrscheinlich wollte er Neuigkeiten erfahren.
»Sagen Sie, Mister, wo können wir Konstabler…«
Da begann er zu lachen. »Ja, ich weiß schon, was Sie wollen. Aber das ist wie so oft. Wer sucht, der findet. Sie müssen zur Post. Dort sitzt unser Auge des Gesetzes auch.«
»Wieso?«
»Der Konstabler ist Postmeister und Polizist in einer Person. So ist das eben auf dem Lande.« Der Wirt lachte. »Aber wollen Sie nicht einen kleinen Schluck nehmen? Ich kann hier den ausgezeichneten Selbstgebrannten Wacholderschnaps nur empfehlen. Wenn Sie den trinken…«
»… heben sich bei mir die Zehennägel«, fuhr ich fort.
»Woher wissen Sie das?« Der Wirt war ungemein erstaunt.
»Das hat sich eben bis nach London herumgesprochen.«
Als er sich von seiner Überraschung erholt hatte, erkundigten wir uns nach dem Weg.
Den erklärte er in zwei Sätzen. Hier in Darkwater war alles sehr leicht zu finden.
Wir gingen durch eine Gasse, die sich an ihrem Ende verbreiterte, wobei über sie noch ein geschwungener Bogen aus Stein von einem Haus zum anderen reichte.
Dahinter lag ein kleiner Platz. Er wurde von wenigen Häusern eingerahmt, und auf ihm stand ein Denkmal.
An der Figur, die einen Fischer
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