0222 - Schlucht der stummen Götter
Schwert wieder wegsteckte.
Die Gefahr war gebannt. Kalifato konnte nichts mehr tun. Daß er aber ein ungemein starker Dämon war, hatte er bewiesen. Bis fast in die Schlucht hatte er sich hineingetraut und sich dicht an der magischen Sperrzone aufgehalten.
Jetzt lag die Schlucht wieder frei vor den Augen des Eisernen Engels. So wie es auch sein sollte.
Sein Körper spannte sich. Er hob die breiten Schultern und stellte sich wieder so hin, daß er auch seinen Schöpfer anschauen konnte.
Noch immer zeigten die Gesichter der stummen Götter einen steinernen Ausdruck, nur allmählich begann er sich wieder aufzulösen, und auch die Lippen öffneten sich, so daß Worte gesprochen werden konnten.
»Du hast ihn gesehen. Er hat die Leichenstadt verlassen«, sagte der Vater des Eisernen. »Und er wird in die normale Welt eindringen, um Schreckliches zu vollbringen. Deshalb spute dich. Halte dich nicht länger hier auf, sondern stelle ihn dort, wo er versucht, das Unheil zu bringen. Stoppe den Todesboten!«
Abermals neigte der Eiserne Engel sein Haupt. »Ich werde mich an deine Worte halten, und ich schwöre dir, daß ich ihn stoppen werde. Er soll nicht dazu kommen, die Menschen ins Unglück zu reißen. Nicht Kalifato, davor stehe noch ich…«
»Möge der unendlich Weise und Gütige dich beschützen«, hörte er die Stimme. »Möge derjenige seine Hand schützend über dich halten, der mehr ist, als wir alle zusammen es je sein werden und der die Kraft der Ewigkeit besitzt…«
Es waren die letzten Worte, die der Steinerne seinem Sohn mit auf die lange Reise gab.
Der Eiserne Engel wandte sich ab. Er breitete seinen Flügel aus und stieß hinein in den grünlich schimmernden Himmel über der Schlucht, ohne sich ein einziges Mal umzuschauen.
Er sah auch nicht die gläsernen Tränen, die aus den Augen der steinernen Gesichter rannen…
Die stummen Götter weinten um ihren Sohn und um die Menschheit…
***
Suko sah nicht ein, daß das blaue Skelett und seine Dienerin auf so billige Art und Weise entkamen. Er wollte sie stoppen. Normalerweise ist es unmöglich, einen schon fahrenden und sich noch weiter beschleunigenden Wagen einzuholen, aber Suko dachte nicht im Traum daran, aufzugeben. Er hielt noch einen Trumpf in der Hinterhand. Das war sein von Buddha geerbter Stab, mit der er die Zeit für fünf Sekunden anhalten konnte, wenn er ein bestimmtes Wort rief. Und fünf Sekunden mußten ihm reichen, um den Wagen einzuholen.
Während der Chinese alles in seinen Spurt hineinlegte und seine Füße kaum den Boden zu berühren schienen, zog er seinen Stab, den er immer bei sich trug.
Und er rief das Wort. Er schrie es sogar. All diejenigen Lebewesen, die der Schrei erreichte, erstarrten für fünf Sekunden in der Bewegung. Sie konnten sich nicht mehr rühren, wurden zu Statuen und bewegten sich erst dann weiter, wenn die Zeitspanne um war.
Nur den Träger des Stabs traf dieses Phänomen nicht. Er konnte als einziger weiterlaufen.
Das tat Suko.
Während um ihn herum die lebenden Personen zu Denkmälern wurden, und auch der Bentley nicht mehr weiterfuhr, hetzte der Inspektor mit gewaltigen Schritten auf den Silbergrauen zu. Er wollte und mußte ihn erreichen, noch bevor die Zeitspanne vorbei war.
Der Wagen wurde größer – aber auch die Zeit verrann.
Drei Sekunden waren schon um.
Noch einmal streckte sich der Körper des Chinesen. Suko holte alles aus ihm heraus, und er befand sich vielleicht noch drei Yards von dem Fahrzeug entfernt, als der Bentley wieder anrollte. Der Chinese nahm noch das Gesicht des Mädchens wahr, das hinter der Heckscheibe deutlich hervorstach.
Da rollte der Silbergraue weiter. Und er fuhr in dem Tempo an, das er auch vor dem Stillstand besessen hatte.
Auch Suko rannte. Sein Gesicht zeigte einen verbissenen Ausdruck, er kämpfte sich vor, und das unmöglich Scheinende gelang ihm tatsächlich.
Suko erreichte den Wagen!
Nicht normal, auch nicht im Lauf, er mußte tatsächlich zu einem verzweifelten Hechtsprung ansetzen, knallte auf die Kofferraumhaube, und jetzt begann das, was Stuntmen nur im Film brachten.
Verzweifelt versuchte der Chinese sich festzuklammern. Er breitete die Arme aus, wollte Halt finden, suchte nach Ecken und Kanten, doch immer wieder rutschte er ab.
Auch der unheimliche Fahrer mußte bemerkt haben, wer ihm da auf der Haube saß, das Skelett mit dem Frauenkopf ebenfalls, denn es hatte seine Arme ausgestreckt und die gespreizten knöchernen Finger von innen gegen die
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