0226 - Tokatas Erbe
standen unten. Was mußten sie alles durchmachen, wenn sie sahen, was sich hier oben alles ereignete!
Ich warf einen Blick nach links. Zuvor hatte ich mich nicht getraut. Jetzt allerdings erkannte ich, daß unter mir auch ein Schienenstrang entlanglief, vielleicht drei Yards entfernt und etwas versetzt.
In der Nähe stieg auch ein Eisenträger in die Höhe. An ihn waren die Schienen vernietet.
Eine Wahnsinnsidee durchzuckte mich. Sollte ich den Sprung wagen? Hatte ich Glück, kam ich auf den Schienen an. Wenn nicht, würde ich fallen und mit zerschmettertem Körper irgendwo liegenbleiben.
All diese Gedanken durchtobten meinen Kopf innerhalb von Sekundenschnelle, und ich mußte mich zu einer Entscheidung aufraffen, sonst war alles verloren.
Noch zögerte der Dämon. Nicht mehr lange. Er schien sich seiner Sache sicher zu sein, denn langsam hob er den rechten Arm mit dem Schwert. Ein Sonnenstrahl traf die Klinge und ließ sie hell aufblitzen.
Dann sprang ich. Es war gefährlich, verdammt, das wußte ich, aber mir blieb keine andere Wahl, doch wenn ich den kleinen Johnny aus der Gefahrenzone bringen wollte, dann gab es keine andere Möglichkeit. Ich fiel.
Plötzlich waren die unsichtbaren Hände da, die mein Herz umklammerten und es zusammenpreßten. Obwohl die Zeit bis zum Aufprall sicherlich nicht mehr als eine Sekunde betrug, kam sie mir dennoch ungemein lang vor.
Der Aufschlag.
Ich hörte Schreie, denn hinter mir stand ein Wagen, in dem zwei Fahrgäste saßen. Um sie konnte ich mich nicht kümmern, ich hatte genug mit mir selbst zu tun. Wenn es mir nicht gelang, mich zu fangen, war alles verloren. Ich durfte nicht kippen!
Mit dem rechten Bein knickte ich weg. Für einen winzigen Augenblick schwebte ich in Lebensgefahr, dann konnte ich mich wieder fangen, knickte ein, und es gelang mir tatsächlich, mit beiden Händen auf der Schienenmitte den nötigen Halt zu finden. Tief atmete ich durch, es fiel mir schwer.
Im Moment wurde mir schwindlig, ich konnte es noch nicht fassen, gerettet zu sein, aber es war nur eine scheinheilige Rettung, denn als ich den Kopf drehte und nach oben schaute, stand der Dämon über mir auf der Schiene und hatte sein Schwert hoch erhoben.
Johnny interessierte ihn nicht! Dieser Gedanke durchzuckte mich wie ein elektrischer Schlag. Der Kleine war vorläufig gerettet, Susanoo wollte nur mich. Aber wohin sollte ich?
So rasch es ging, bewegte ich mich auf den Stützpfeiler zu. Er befand sich an der linken Seite der Schiene, stach in die Höhe und verbreiterte sich zu einer Art Gabel, um über mir einen Schienenstrang tragen zu können. Als ich den Pfeiler berührte, sprang auch der andere.
Nein, es war kein direktes Springen, sondern eher ein Schweben, denn er hatte seine Flügel ausgebreitet. Sanft ließ er sich tragen, und er landete auch sanft.
Ich stand am Pfeiler. Das Kreuz hielt ich jetzt in der Hand. Mein Innerstes war aufgewühlt, ich zitterte und bebte, der Kampf würde mir alles abverlangen, und ich hoffte, daß ich den tödlichen Schwertstößen wenigstens einige Sekunden lang entgehen konnte.
Er schlug zu. So langsam er sich zuvor bewegt hatte, so schnell war er jetzt. Mit einer raschen Drehung rettete ich mich und schaffte es, schräg hinter den Pfeiler zu gelangen. Die Klinge aber klirrte dagegen. Sie war wuchtig geschlagen worden, ich hatte sogar Angst, daß der Pfeiler knicken konnte, denn er vibrierte stark. Aber er hielt!
Dem zweiten Schlag konnte ich nicht entgehen, das stand fest. Und wenn ich einen Blick in die Tiefe warf, so sah es auch hoffnungslos aus. Denn da hinunterzuspringen, hätte mich das Leben gekostet.
Keine Chance mehr.
Und da geschah etwas Unwahrscheinliches…
***
Der Goldene erschien!
Ich vernahm ein fauchendes Geräusch, als wäre hinter mir die Luft zusammengeschlagen. Blitzschnell drehte ich mich um, wobei ich mich mit einer Hand am Pfeiler festhielt. Vor mir stand tatsächlich der Goldene Samurai!
Jetzt endlich erfuhr auch ich, daß sein Erscheinen in der Geisterbahn keine Halluzination gewesen war. Johnny und ich hatten ihn gesehen. Und er war zurückgekommen.
»Ich hatte dich doch gewarnt!« sprach er mich an und schüttelte seinen Kopf, wobei blitzende Reflexe entstanden, als das Sonnenlicht auf ihn fiel.
»Aber du hast nicht hören können…«
»Was sollte ich denn tun…?«
»Gar nichts«, erwiderte der Goldene und schob sich vor. »Jetzt bin ich an der Reihe!«
Er ging an mir vorbei, ohne mich irgendwie zu beachten. Für
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