0226 - Tokatas Erbe
tropfte daraus hervor, der Schwanz peitschte, und der Kopf schlug von einer Seite auf die andere.
Gerade die Hilflosigkeit machte die Wölfin so verrückt.
Als Mensch hatte Nadine Berger diese sensitiven Eigenschaften nicht besessen.
Erst als ihre Seele in den Körper des Wolfes eingedrungen war, hatte sich dieses Bewußtsein erweitert.
Ihre Augen glühten in einer seltsamen Farbe.
Fast dunkelblau zu nennen, dazwischen mit dem natürlichen Grünschimmer, den sie immer besaßen.
Und sie sandte einen geistigen Hilfeschrei aus.
Irgendwer mußte ihn doch hören, sie wollte Kontakt haben mit der Person, die sich in ungeheurer Gefahr befand, wollte ihn warnen, damit er weglief, aber der gedankliche Schrei erreichte die Person nicht.
Ungehört verhallte er…
Oder nicht?
Plötzlich merkte die Wölfin etwas.
Jemand hatte ihren Hilferuf vernommen, da war etwas, unendlich fern, aber dennoch nah.
Über Dimensionen hinweg hallte der verzweifelte Ruf des sensitiven Tieres, wurde aufgefangen und weitergeleitet.
Kam vielleicht Hilfe?
Noch einmal formulierte die Wölfin ihren Schrei, durchstieß mit ihm die Grenzen der Zeit, blieb für einen Moment zitternd stehen und brach dann zusammen, da die Anstrengung weit über ihre eigentlichen Kräfte hinausgegangen war…
***
Da stoppte der Wagen!
Es gab noch einen Ruck, und plötzlich blieben wir stehen. Genauso weit von dem Dämon entfernt, daß er uns mit seiner Schwertspitze nicht erreichen konnte, wenn er jetzt zuschlug. Die Zeit stand still.
Dieses Gefühl hatte ich. Wir schienen uns in einem Vakuum zu befinden, luftleer der Raum, in dem es nichts mehr gab. Kein Vor-, kein Zurück, nur eben wir. Ich holte tief Luft. Neben mir schluchzte Johnny.
Es war ein Geräusch, das mich wieder aus der anderen Welt in die normale hineinriß, und ich somit alles klarer sah.
»Onkel John, warum fahren wir nicht weiter?«
Der Kleine bekam von mir keine Antwort, denn ich hatte jetzt auch die Rufe vernommen, die unter uns aufgeklungen waren. Wahrscheinlich war die seltsame Gestalt bemerkt worden.
Man hatte reagiert und den Strom abgeschaltet, wobei man uns noch eine Galgenfrist gewährte.
Beide vernahmen wir die Lautsprecherstimme. Hohl und blechern drang sie bis in unsere Höhe.
»Behalten Sie die Ruhe, meine Herrschaften. Bleiben Sie um Himmels willen in ihren Wagen sitzen. Es ist nur ein kleiner technischer Defekt, der allerdings sehr schnell behoben sein wird. Bleiben Sie, wo Sie sind. Wir kümmern uns um Sie.«
Jetzt war mir klar, daß der Strom auf normalem Wege abgeschaltet worden war. Dahinter steckte keine Magie, und mir war es deshalb möglich, den Wagen zu verlassen, ohne daß ich auf eine stromführende Schiene trat.
Das tat ich auch.
Johnny erschrak, als er sah, wie ich mich aufrichtete und dabei den Dämon nicht aus den Augen ließ.
»Onkel John, wo willst du hin? Bitte, ich habe Angst.«
»Die brauchst du nicht zu haben, mein Kleiner. Bleib du nur sitzen, das andere erledige ich.«
»Aber wenn…«
»Bitte, Johnny…«
Ich verließ den Wagen und hörte das Weinen des Jungen. Dann stand ich auf den Schienen.
Es war eine Schräge, das hatte ich schon erwähnt. Normal stehen konnte ich nicht, ich wäre nach hinten weggekippt, also versuchte ich mich nach vorn zu beugen, an den Schienen Halt zu finden und so das Gleichgewicht zu halten.
Eine schlechte Lage, wenn ich in einen Kampf mit dem Dämon eintreten sollte. Ich meiner vorn übergebeugten Haltung war ich immer benachteiligt.
Jetzt wo das Rattern der Wagen nicht mehr zu vernehmen war, konnte ich die Stille regelrecht fühlen. Sie lastete auf mir wie ein Druck, aber ich hörte auch das Rufen der Menschen. Tief unter mir mußten sie zusammenlaufen, und wahrscheinlich starrten sie auch in die Höhe, wo wir uns gegenüberstanden.
»Onkel John, Onkel John!« hörte ich die Stimme des Jungen. »Bitte, komm zurück!«
Nein, ich wollte nicht mehr zurück. Wenn ich es austrug, dann jetzt und hier.
Gnadenlos knallte die Sonne auf mich herab. Ich war in Schweiß gebadet. Das salzige Zeug rann über mein Gesicht, auch den Körper hinab und tränkte die Kleidung. Verbissen hatte ich die Lippen aufeinandergepreßt.
Ich mußte mich voll konzentrieren und dachte auch daran, den Dämon wegzulocken. Wenn ich es schaffte, daß er seinen Platz verließ, dann war Johnny nicht mehr in unmittelbarer Gefahr und konnte vielleicht von einem Helfer gerettet werden.
Zudem dachte ich auch an seine Eltern. Sheila und Bill
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