0226 - Tokatas Erbe
auch das Zittern der Knie hatte aufgehört. Nur noch der Schweiß klebte auf meinem Körper.
Unter mir mußte eine Hölle toben. Das Schreien klang bis zu mir hoch und auch das Heulen von Polizei- und Feuerwehrsirenen. Ich drehte ein wenig den Kopf und sah die beiden Diener des Goldenen an strategisch günstigen Stellen stehen und den Himmel beobachten. Sie trauten dem Frieden nicht und behielten alles im Blickfeld.
»Ich darf dir noch einmal danken«, sagte ich zu dem Goldenen. »Ohne dich wäre alles verloren gewesen.«
»Ich weiß«, gab er zurück.
»Du mußt mir auch dankbar sein. Und du könntest mir deine Dankbarkeit beweisen.«
»Wieso?«
Das goldene Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.
»Ich mache nicht gern etwas umsonst, ich habe meinen Preis, und den verlange ich. Außerdem ist es in deinem Sinne, denn Susanoo will ja auch dich töten, da du ebenfalls ein Feind Tokatas gewesen bist.«
»Was muß ich tun?«
Meine Stimme klang belegt. Ich hatte den Goldenen für einen Moment als Freund oder Partner angesehen, das allerdings erwies sich als Irrtum. Er dachte nur an seinen eigenen Vorteil und wollte ihn auch ausspielen.
»Es geht um Tokatas Schwert. Ich will nicht, daß es in Susanoos Besitz bleibt. Hole das Erbe zurück!«
»Ich?«
Der Goldene lachte. »Wer sonst? Glaubst du, ich habe dir nur aufgrund deiner Anwesenheit das Leben gerettet? Nein, dahinter steckt schon etwas, das will ich dir sagen.«
»Aber ich bin viel zu schwach, um gegen Susanoo anzukämpfen. Du hast es nicht einmal geschafft. Was soll ich denn da noch alles tun?«
»Du hast Mut, du hast Geschick.«
»Und warum holst du es nicht selbst?«
Diese Frage brannte mir schon lange auf der Zunge, und ich war gespannt, welch eine Ausrede mir der andere entgegenhalten würde.
»Weil es nicht geht. Ich komme nicht in das Drachenland hinein.«
»Wohin?«
Der Goldene bemerkte mein Erstaunen und amüsierte sich.
»Susanoos Heimat ist das Land der Drachen. So jedenfalls nennen wir es. Und er, der Bruder der großen Sonnengöttin Amaterasu, herrscht über das gläserne Drachenmeer. Das ist seine Heimat, in diesem Land ist er der König und hat die Grenzen für mich versiegelt. Du aber kannst es betreten, das Land zwischen den Dimensionen, ein Land, das nicht sein darf, und ich will, daß du dort deiner Aufgabe nachkommst.«
»Nein, nie!«
»Bist du so undankbar?«
»Ich bin nicht undankbar«, erwiderte ich, »und vielleicht kann ich mich eines Tages mal revanchieren, Goldener. Aber wenn ich einem Menschen das Leben rette, dann denke ich nicht darüber nach, was dieser Mensch noch alles für mich tun könnte. Ich hoffe, wir haben uns verstanden. Das Drachenland werde ich nicht besuchen.«
»Du willst das Schwert nicht zurückholen, John Sinclair?«
Seine Stimme klang schon drohend.
»Nein, ich sagte es. Ich lasse mich nicht auf diese miese Art und Weise erpressen.«
»Zwingen könnte ich dich, aber ich mache es nicht. Dann mußt du eben allein mit dem Dämon Susanoo fertig werden, mehr sage ich dazu nicht. Viel Erfolg, Geisterjäger…«
Für ihn war die Sache erledigt. Er drehte sich ab und winkte seinen Dienern. Geschickt turnten die beiden goldenen Männer auf ihn zu und entzogen sich meinen Blicken. Ich blieb schweratmend stehen.
Allmählich nur verlor sich die Spannung, die mich umklammert gehalten hatte. Aber noch immer zitterten mir die Knie und liefen mir Schauer über den Rücken. Was ich hinter mir hatte, war ziemlich hart gewesen, da half auch kein Durchatmen, um das Zittern wegzubekommen.
Über mir befand sich Johnny. Auf der gleichen Schiene mit mir allerdings sah ich den Wagen mit den beiden Fahrgästen, die alles mitbekommen haben mußten. Ich schaute in ihre Gesichter. Sie waren starr, das sah ich selbst aus dieser Entfernung. Das Grauen stand in ihnen festgeschrieben, wahrscheinlich standen die beiden unter einem Schock.
Noch immer heulten Sirenen. Unter mir mußte der Teufel los sein. Dieser Jahrmarkt hatte seine Sensation bekommen. Eine Sensation, die zum Glück keinen Toten gefordert hatte. Das war für mich das Allerwichtigste.
Auch Johnny lebte noch.
Als ich an ihn dachte, hörte ich seine Stimme: »Onkel John, da kommt eine Leiter.«
Er hatte einen besseren Sichtwinkel als ich. Ich hielt mich weiterhin an dem Träger fest, das würde auch noch eine Weile so bleiben, erst einmal sollten die Männer den kleinen Jungen retten.
Dabei dachte ich auch daran, was mir der Goldene alles gesagt hatte. Er
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